1196/11: Work in progress: Im Charlottenburger Quasimodo steigt am 12.05.11 ein Soulsause #Edo Zanki

Edo Zanki & Band

Edo Zanki & Band

Die Söhne und Töchter Berlin´s haben es nun wirklich nicht leicht, jammer jammer, aber wo hängt der Hammer? Leichter haben es die „Söhne Mannheims“, bzw. und Umgebung. Es gibt eine Popakademie, in Berlin gab es da nie. Und es gibt Edo Zanki, den „Paten“.

Leicht hat es die Stadt nicht, und speziell die Frage der „guten Livemusik„, aber leicht hat es einen.

In Berlin sterben die guten Clubs wie Tüten Mücken weg. Hintergrund ist eine momentan eine etwas wirr verlaufende Stadt- bzw. Regionalplanung der für lokale Entwicklung zuständigen Fachbeamten, die zu sehr versachlicht ist. Das Problem: Niemand scheint noch zusammenhängend zu denken, ganzheitlich. Dieser Puzzle-Planung, die man „Planung“ nicht nennen sollte, fiel unlängst der Knaak-Club, eine wichtige Berliner-Clubgröße zum Opfer.

Die Stadtplaner waren so genial, direkt daneben einen neuen Wohnkomplex zu genehmigen, dessen Betrieb nun die unmittelbar daneben liegende Spielstätte „seit gefühlten 100 Jahren“ nicht schallschutztechnisch berücksichtigte. Und dann ziehen die Neubewohner nebenan ein und führen erbitterte Nachbarschaftskriege über zu lauten Stadtbetrieb: Hätte man ihnen sagen müssen, sie hätten dies im Rahmen einer Duldungsklausel im Vorfeld akzeptieren müssen? Die Folge: Hohe, unerfüllbare Schallschutzanforderungen gegen die Clubbetreiber, aber die hatten doch immer nur gespielt, spielen lassen, auftreten lassen und, wirklich, das Publikum liebte das. Es war die Zeit, in der Livemusik noch erlaubt war, aber das ist Geschichte.

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Klaus Spiesberger, Chef vom Quasimodo

Klaus Spiesberger, Chef vom Quasimodo© Mick Morley

Denn wenn man was liebt,
was man eigentlich kaum bekommen kann,
was unerreichbar fern erscheint,
wird man ein Stück traurig.
Wird man ein Träumer.
Oder man wird ein Radikaler.
Oder ein radikaler Verwirklicher seiner Träume.
(Susanne Zühlke)

Bisschen von sowas hat auch Klaus Spiesberger „an der Hacke„. Sein Club ist der Vorzeigeclub aller Berliner Clubs, und man kann getrost sagen, er hat ein kulturelles „leadership“ aufgebaut. Zusammen mit dem Clubgründer Georgio Carioti (Nahporträt von Gerald Angerer hier), der inzwischen die Führung abgegeben hat. Spiesberger ist seit Ende der Siebziger Jahre in Berlin und hat in Berlin die kulturellen Kuchenteige in vielfältiger Hinsicht durchgeknetet, bis sie zu dem wurden, was sie jetzt sind. Er hat auch Stars aufgebaut und empfahl angehenden Sternchen, was sie da jetzt vorspielen, doch erst noch einmal im Übungsraum zu verfestigen. Es muss „tighter“ sein, forderte er und heute sehr bekannte Künstler hörten auf den Rat und feierten unlängst rauschende Bühnenjubiläen, wie z.B. die Grande Dame der Berlin Jazz-, Soul- und Funkmusik Jocelyn B. Smith (Bericht hier).

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Edo Zanki – Dass du zu mir gehörst – 2009 (via Youtube)

Spiesbergers Club, das Quasimodo, steht an der Ecke Fasanenstr./Kantstr. in Berlin-Charlottenburg in einer Art „Kulturensemble der besonderen Art“. Vor Jahren einigte man sich mit dem benachbarten Vagantenbühne (nebenan) auf eine Art „tektonischen Platten- bzw. Kulturbetrieb“. Die Vagantenbühne arbeitet fleißig ihr Programm ab, aber ab 22:30 Uhr geht es dann im Quasimodo richtig los. Das nennt man saubere Absprache und hat was von Bach´schen Kirchenfügen: hübsch an stark an geil vorbeigelagert fügt sich eins ins andere.

Im Unterschied zum „wilden Osten“, wo sich das Kulturhybride seinen Platz nahm in den Brachen und Breschen der verkommenen, unentwickelt gebliebenen „Ostberlin-Ruine“, die sich vom Selbstverzehr ernährt hatte, konnte das westliche „round about Bahnhof Zoo“, „delphi Filmkunst & elsewhere“ organisch wachsen. Wohl kaum ein Städteplaner käme hier auf die Idee, im dortigen Mischgebiet hübsche, herum drapierte Wohnhäuser für nachziehende badische Yuppie-Mehrkindeltern mit ökologisch korrektem Kinderwagen zu errichten, die dann klagenderweise dort einziehen, um Jahrzehnte gefestigter Stadtkultur mit unerfüllbaren Lärmschutzforderungen ihrerseits zu überziehen.

Nein, dies ist ein Privileg angesichts der ostdeutschen Ankopplung („Beitrittsgebiet“) an westdeutsche Verhältnisse und dem „normativen Zwang des Praktischen“, nämlich der Tatsache, dass man nun in zwanzig Jahren gerafftem Stadtentwicklungsszenario eben Details wie gegenseitige Respektierlichkeit schnell mal übersehen kann. Zu wenig Zeit für´s Detaillierte. Für einen Mikrofokus, der die Mikro- und die Makrolage dieser Stadt auskömmlich gegeneinander abwägt.

Edo Zanki - der Pate des "german soul"

Edo Zanki - der Pate des "german soul"

Ganz egal, was gestern war, heut ist ein neuer Tag. Das ist das Motto im Quasimodo am 12.05.2011. Denn an diesem Abend ist eine Naturerscheinung auf der Bühne des Quasimodo zu Gast. Der Mann ist Kroate mit festem Wohnsitz in Deutschland und er hat gewichtige, musikalische Argumente, verdiente sich schon künstlerische Meriten, als wir alle noch pampersversorgt von einer besseren Zukunft träumten. Zu seinen Kunden zählten Antipoden der Popkultur wie Tina Turner („Fruit of the loom“), Ulla Meineke (Hit: „Die Tänzerin“) oder die „Söhne Mannheims“. Die Rede ist von Edward „Edo“ Zanki, in der schreibenden Presse wird er „Der Pate des german soul“ genannt, wenngleich das eigentlich auch wieder so eine Art unzulässige Vereinfachung ist. Edo Zanki mag sie nicht, diese Tinte verklecksenden Schreiberlinge, die sich nicht trauen, eine eigene Meinung zu vertreten. Ihm gefällt nicht, wenn einer schreibt, seine Musik, das sei keine Musik für die breite musikalische Masse. „Trau dich, eine eigene Meinung zu vertreten,“ fordert er den Kritiker auf.

Bleiern und schwer liegt die Zeit auf der Musik, unfähig ist sie noch zu zerfließen. Es ist ein neuer Tag, Zeit für neue Glücksgefühle. Edo Zanki hilft einem zu begreifen, dass die Abhandlung eigenen Lebens mit Musik leichter ist als ohne. Dass Musik lange Schatten wirft, nicht kurze, und sei der Zwerg auch noch so klein. Wir kommen da schon rein! Klaus Spiesberger ist am 12.05. Gastgeber eines musikalischen Giganten namens Edo Zanki. Kein Zweifel: da werden viele hinströmen, dem Paten des „german soul“, der das eigentlich gar nicht so richtig sein will, zuzuhören, wenn er seine neue CD vorstellt.

Und so kann man es eben sagen: Zanki ist beileibe kein Konformist, kein Architekt eines bestimmten, mainstreamartigen Kulturkonzepts, an dem er sich dann erfolgssicher entlanghangelt. Das Gegenteil ist der Fall. Zanki hat vieles gemacht, dass andere vor ihm noch nicht wagten und kennt alle Höhen und Tiefen, fuhr aber immer mehrgleisig, als Musiker, als Producer, als Besitzer eines Studios und selbst die Videos zum neuen Album („Zu viele Engel“) kommen aus der „eigenen Imageschmiede“, und auf eine gewisse Art und Weise gibt alles zusammen eine feste Vorstellung davon, wie wichtig dies Werk ist. Ansonsten ist, was Zanki macht, im Kern „handproduziert“, live bzw. gut gespielt und von echten Menschen.

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Bleibt noch diese Frage zum Nachbarrecht: Darf wer irgendwo hinzieht, sich stets auf seine Unkenntnis der unmittelbaren, seit Jahrzehnten gewachsenen und zur Blüte gelangten Umgebung berufen? Gekauft wie gesehen, gemietet wie gesehen, aber nicht richtig hingeschaut? Dann erst einmal einziehen und losklagen: gegen Gott und die Welt, Nachbarn drangsalieren, nur weil man selbst zu doof war, sich eingehend über die Umgebung zu erkundigen? Genau: es waren ja die Stadtplaner, die keine Rücksicht nahmen auf den Bestand. Der Einzelne ist immer unschuldig und muss geschützt werden. Vor den Anderen: Aber wir, wir sind die Anderen

Ein neuer Tag von Edo Zanki
© Edo Zanki-Videos bei Clipfish

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