1158/11: Bauen: Nach fünf Jahren ist eine schriftl. Vereinbarung da, Eckehard, die Russen sind da! Was nun?

Eckehard, die Russen sind da! (Zeitgenössische Abbildung)

Eckehard, die Russen sind da! (Zeitgenössische Abbildung)

Nun gut, das ist nun wirklich lange her. 1918 endete der 1. Weltkrieg und die Friedensschließenden machten einige Fehler, von denen wichtige Historiker hinterher behaupteten, sie erst hätten den Nährboden bereitet für den deutschen Nationalsozialismus. Andere widersprachen dieser Theorie bis auf´s Blut und da sieht man ja schon den Kern des Streits, des Pudels Kern, die Frage einer gewissen „deutschen Gretchen“, die Gretchenfrage. Was aber, wenn ein Hauseigentümer in Berlin-Wedding seinen Giebel sanieren will, wie es „Gretchen“ Angela Merkel, Kandisbunzlerin von Gesamtdeutschland gern wünscht. Sie sagt, das sei Chefsache, und bald, so befürchten jetzt auch Kenner, wird es den „Sanierungszwang“ doch noch geben: dann müssen Hauseigentümer, ob sie wollen oder nicht, gebäudeenergetisch sanieren, kurz: wärmdämmen. Wie „Labskaus auf lau gebräuntem Toast“ -igitt- nimmt sich die gegenwärtige Rechtslage aus und haben wir angesichts von Klimakatastrophe, atomaren Weltgefahren und Treibhauseffekt überhaupt noch Zeit für Großzügigkeit? Das Beispiel aus Berlin-Wedding belegt: Wir sind noch lange nicht bereit, in unsere Köpfen Ordnung zu schaffen.


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Für die Älteren unter uns taugt noch das Feindbild des drohenden Russen. Die Jüngeren sind Hui Buh, dem Schloßgespenst angemessen zu verschrecken. Was aber hilft gegen deutsche Grundstücksnachbarn, damit sie sich „vom Acker“ machen, anstatt sich wie „Edgar mit den Scherenhänden“ zu benehmen, immer bereit, ein Stück nachbarlichen Kuchen abzuschneiden, kurz gesagt: die Hand aufzuhalten? #Sinnfrage

Ordnung schaffen mit immer weniger (rechtlichen) Waffen? Ein hohes Ziel. Zur Erinnerung:

Der Berichterstatter focht lange, aber redlich und im Ergebnis wurde im Berliner Abgeordnetenhaus das Berliner NachbarrechtsG geändert. Das war „löblich, lieb und lullaby“, also klasse, „kybernetisch, kanz kroße Klasse“, etwas umständlicher ausgedrückt. Bilanziell ist unser Zeitkonto im Beispiel Berlin-Wedding eindeutig überschuldet, doch das war dem Grundsätzlicheng geschuldet. Per Saldo hat die Aufräumphase fünf Jahre gedauert, anstatt einfach nur loslegen zu dürfen.

Man hat vor, die zum Nachbarn hinzeigende Giebelwand wärmezudämmen, zeigt das seinem Nachbarn drei Monate vorher an, und gut ist. Er hat das zu dulden: aus gar keinem rechtlichen Gesichtspunkt lassen sich noch Einreden herleiten. So ungefähr lautet die Idealvorstellung eines gesellschaftlich einwandfreien Miteinanders bei klarer Rechtslage und einfachen, sauberen Vorschriften. Doch das Gegenteil bleibt der Fall. Die Kriterienbrücke unseres Vorhabens umfasst folgende Gesichtspunkte, über die man erst mal gehen muss:

  1. die Berechtigung, das nachbarschaftliche Grundstück zu begehen, es aber auf unbefestigten Flächen nicht zu befahren,
  2. ein Gerüst auf dem Grundstück aufzustellen, den Putz am eigenen Giebel beseitigen zu dürfen und die Wand anschließend ordnungsgemäß zu verputzen und farblich zu gestalten,
  3. jedoch keine längerfristige Lagerung von Baumaterial durchzuführen, keinen Container aufzustellen oder Baustelleneinrichtungen (wie z.B. Klos), Müll und Baustellenabfälle sind sofort zu entsorgen, spätestens wöchentlich,
  4. die an der Brandwand (auf dem Nachbargrundstück) stehenden Bäume einschl. Wurzelwerk sind „auf Kosten des Bauherrn“ (also uns) zu beseitigen, obwohl sie auf dem Nachbargrundstück stehen und die Substanz unseres Hauses schädigen (im Klartext: eine Zuzahlung in erheblichem Umfang, u.a. auch wegen nachfolgender Punkte),
  5. die dazu erforderlichen öffentlich-rechtlichen Genehmigungen sind vom Bauherrn (uns, nicht dem Grundstückseigentümer) einzuholen „auf eigene Kosten“, und soweit eine Auflage zu einer entsprechenden Ersatzbepflanzung erfolgt, diese auf unsere Kosten durchzuführen, darüber ist vor Erstellung der Rüstung Einvernehmen zu erzielen,
  6. der Bauplatz ist zu reinigen und soweit umweltgefährdende Stoffe in das Erdreich gelangen, ist dieser Bereich auf eigene Kosten auszutauschen und der ursprüngliche Zustand wiederherzustellen,
  7. soweit durch Drucklasten (wie der Rüstung) Erdverdichtungen eintreten, sind diese zu beseitigen, damit Oberflächenwasser versickern kann,
  8. als Gegenleistung für die Ausführung der Arbeiten (!!) wie auch für die Anbringung der Wärmedämmfassade zahlt der Bauherr anstelle einer monatlichen Überbaurente einen Betrag in Höhe von 1.500,- € an die Nachbarin.
  9. Bei Überschreitung einer Festbauzeit von drei Monaten zahlt der Bauherr einen zusätzlichen Betrag von 1.000,- €.
  10. Sollte eine Baupause von mehr als drei Wochen eintreten, so verpflichtet sich der Bauherr, die Rüstung abzubauen, um sie dann wieder aufzubauen.

Und noch einiges mehr.

Damit wird deutlich: Man kann es als „gefährliches Wagnis“ des Bauens begreifen, man kann aber auch sagen, dass aus einer Vielzahl von verschiedenen Rechtsgründen die Regelung einiger dieser Vereinbarungspunkte schlichtweg überflüssig ist und deutsches Recht darstellt. So lange aber ein Bauvorhaben wie dieses, dessen Durchführung im „öffentlichen Interesse“ sämtlicher Menschen auf der Welt liegen muss, vom Vorhandensein komplizierender Regelungstatbestände auch nur ansatzweise abhängig gemacht werden darf, kann sich kundige Rechtstheoretiker eine Strategie jahrelanger Verzögerungen einfallen lassen, wenn er nur daran interessiert ist.

Der Job als Haus- und Grundstücksverwalter findet da seine Grenzen, wo Anderen mit bürgerlich normierten Wertvorstellungen wie Gemeinsinn, Notwendigkeit und Tugenden wie Bescheidenheit, Zuverlässigkeit und Berechenbarkeit kaum noch beizukommen ist. Wo das Gewinnmaximierungsprinzip sich darauf beschränkt, seinem Nachbarn nur noch Steine, Hindernisse und Fallstricke in den Weg zu legen. Das ist vor einem moralischen Weltbild kaum noch zu verantworten, aber leider nicht unüblich. Wo Vereinbarungen über Lapidarien wie diese sich jahrelang hinziehen und schliesslich der Bauherr viele der „schleimigen Kröten“ nur noch frißt, um endlich anfangen zu können. Niemand kann Gerechtigkeit bis zu dem Punkt durchfechten, an dem sie weitgehend liegt. In die Nähe davon zu kommen, reicht manchmal schon, leider!

Dem wird hier nicht das Zeug geredet und insbesondere wird dem Nachbarn nichts leichtfertig unterstellt. Als Fazit bleibt aber:

Die bislang ergangenen Rechtsvereinfachungen sind schlichtweg ungenügend. Stattdessen wäre wohl ein Gesetz in Erwägung zu ziehen, dass diesen Fall hinreichend rechtsklar und „unverhinderlich“ regelt. Und auch die „Heilige Kuh“ fremden Eigentums muss abgeschafft werden. In verdichteten Ballungsräumen wie Großstädten kommt die Politik langfristig nicht an der Forderung vorbei, dass Grundsstückseigentümer die Überbauung ihres Grundstücks im Kern entschädigungsfrei zu dulden haben, wenn die Durchführung dem „technisch gebotenen Stand“ einer „gebäudeenergetischen Sanierung“ Folge leistet. Auch die Überbaurente gehört abgeschafft und entspricht veraltetem Denken.

Prost Mahlzeit. Kommt die Vereinbarung, wie hier, nach mehr als fünf Jahren endlich zustande, ist nur noch festzustellen, was eingangs aufgeführt ist: Die Russen sind da! Und wie Nina Hagen hinzufügte: Hipp hipp, hurra! Nun kann gebaut werden!

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Meister Röhrich: Eckehard, die Russen sind da! (via Youtube)

Ein Gedanke zu „1158/11: Bauen: Nach fünf Jahren ist eine schriftl. Vereinbarung da, Eckehard, die Russen sind da! Was nun?

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