1127/11: Prognosen: Wie man den zu schreibwütigen Emails Einhalt gebietet, weiß Sascha Lobo #Linktipp

 Zurück in den Januar 2010, als ich mehr als 800 Mails am Tag bekam und keine Chance auf Bewältigung hatte. Die vielen Mails stahlen mir im Schnitt sagenhafte zwei Stunden am Tag, zwei verlorene Stunden, in denen ich nicht aktiv herumliegen konnte. Deshalb erprobe ich seit einem Jahr Strategien der Mailminimierung, an denen ich Euch hier teilhaben lassen möchte. Denn sie haben mein durchschnittliches Mailaufkommen an Werktagen von 800 auf 40 Mails gedrückt, dabei sind sogar die zahlreichen (5 bis 10 täglich) unverlangt eingesendeten Pressemitteilungen zu neuen Wasserkochern mit WLAN eingerechnet. – Sascha Lobo in „Die Kunst der Emailminimierung. – Hermetisches Schreiben (Link unten)

Ich weiß gern zu erzählen, ich könne niemals so viel Viagra im Internet bestellen, als ich angeboten bekomme. Hinter diesem Treppenwitz der Internetgeschichte steckt viel Wahres: Sascha Lobo weiß von 800 Emails pro Tag zu berichten und angesichts dieses Umstandes der Mühe Anerkennung zu zollen, etwas gegen diese Art moderner Umweltverschmutzung zu unternehmen. Das allein, das Vorhaben, die Zahl der täglichen Emails einzuschränken, ist eine Verlinkung als Lesetipp schon wert.

Denn ich kenne kaum jemanden, der heute noch so begeistert darauf hofft, weitere Emails zu erhalten. Sie werden in der Regel als unnütz, überflüssig und oft irrelevante Dinge beinhaltend angesehen. Und doch ist die Benützung von Emailprogrammen so verlockend wie nächstliegend, so bezaubernd wie unsinnig bzw. überflüssig.

Der Sinn meines Lebens, so mutmaße ich seit längerem, ist der Funktionsweise eines Durchlauferhitzers ähnlich. Ich bekomme einen täglichen Input von Emails (= Wasser), dessen Inhalt mich mehr oder minder erhitzt. Sodann durchläuft deren Inhalt meine Aufwärmkammer, eine Art menschliche Durchdenkungskammer. Hier verinnerlicht sich Wert und Unwert des Geschriebenen. Ich muss in erster Linie viel kategorisieren, wichtig, weniger wichtig, vollkommen unwichtig und schwupps, dann hat die Eingangspost eine Art „virtuelle Halbwertzeit“.

Je länger ich bereits mit Emails herum fuhrwerke, desto mehr denke ich, dass sie ein Segen für die Abarbeitung von Punkten sind, die mir beruflich angetragen werden. Doch damit hat es schon sein Bewenden. Über das hinaus, was ich gerade schilderte, stellt eine Vielzahl von (weiteren) Emails das dar, was es ist: SPAM. Oder „OVERHEAD“, also dasjenige, was ich als Kropf über das hinaus zu ertragen in der Lage sein muss, dass es mir nützt. Eine Brutto = Netto-Abwägung in mir sagt, dass ich auf der Hut sein muss, nur gerade noch so viele Emails abzusetzen, als unbedingt nötig ist, um etwas auf den Weg zu bringen. Eine sich stark verstärkende Grundregel in mir reifte besonders in den letzten Jahren: Per Email kannst du nicht über Sinn oder Unsinn von Zuständen urteilen, diskutieren und Meinungen austauschen. Als Meinungsaustausch-Medium taugen Emails nicht die Bohne. Sie können ein qualitatives Gespräch nicht ersetzen.

Grundregel Nr. 1: Fasse dich kurz.

Grundregel Nr. 2: Diskutiere nicht per Email. Allenfalls nimm Meinungsmitteilungen zur Kenntnis.

Grundregel Nr. 3: Diskutiere mit Menschen über ihre Anliegen nicht per Email, sondern persönlich und bestätige allenfalls noch per Email den gemeinsam erzielten Konsens. Wenn es der Sache dient, sonst nicht.

Grundregel Nr. 4: Lass die Betriebskühlung deines emotionalen Reaktors erst ihre Arbeit tun und antworte niemals emotional.

Ich gebe zu, ich habe jetzt an dieser Stelle noch keine wohlfeile Durchorganisation meiner „10 Gebote“ für den ungeschützten Emailverkehr aufgestellt. Es sind zunächst einfach nur nächstliegende Erfahrungen bzw. Erinnerungen an andere Zeiten.

Grundregel Nr. 5: Verschaffe dir erst unbedingte Klarheit, klar wie das reine Brunnenwasser des Gebirgsquellrinnsals, dessen du habhaft werden musst.

Der moderne, technikaffine Mensch wähnt seine eigene Relevanz und das selbst wahrgenommen werden irrtümlich in der Anzahl der ihn erreichenden Emails. Umgekehrt sind die gesellschaftlich Irrelevanten, Verlierer, Solisten und Einsiedlerkrebse daher bemüht, die Zahl ihrer eigenen Emails durch geschickte Nachbestellungen bei neuen Newsletter-Akkreditierungsstellen bemüht, sich selbst überhaupt erst zu spüren. Ich bekomme Emails, also bin ich.

Ein Versuch, zu einer guten Qualität von Emailaustauschen zu gelangen, ist das Aufstellen von Emailregeln, an die man sich in erster Linie selbst halten muss. Über derartige Versuche, das sinnlose Vielschreiben zu begrenzen, habe ich hier immer wieder berichtet, beachte die Links dazu weiter unten.

Das Durchlauferhitzerprinzip meines Berufs ist im Grunde genommen ein sehr, sehr leicht trügerisches Selbstverständnis. Dass Andere mir etwas zu häufig etwas mitzuteilen haben, dessen Kontext sich in Summe auch leicht minimieren ließe in zusammengefassten, wirtschaftlich vernünftigen Textmengen von wahrer Aussagekraft, bereinigt um Meinung, Wertung, Deutung und emotionalem Aderlass, muss mich anspitzen, meine Emissionen noch deutlicher zu begrenzen. Sascha Lobo lobpreist den „Zauber des Hermetischen Schreibens“. Aha.

 Hermetisches Schreiben bedeutet, eine Mail so zu verfassen, dass die Chance auf eine Rückmail aktiv auf ein absolutes Minimum reduziert wird.  – Sascha Lobo in „Die Kunst der Emailminimierung. – Hermetisches Schreiben (Link unten)

Sascha Lobos nichtwissenschaftliche Aufzählung zur Kunst des Hermetischen Schreibens

  • Verständlichkeit
  • Zitation
  • Fragezeichenverbot
  • Datenpräzision
  • Absagen
  • Empfänger-Hygiene
  • Scherze vermeiden
  • Smileyverbot
  • Kurzhalte-Gebot
  • Formalitätswirkung
  • Uhrzeit
  • Keine-keine Antwort
  • Direkte Ansprache
  • Höflichkeitsfloskeln
  • Schlussformeln
  • Smalltalk-Verbot
  • Unterwegstaktik

Wie hat nun Sascha Lobo es geschafft, von täglich 800 Emails auf eine Zahl von „nur noch 40“ Emails pro Tag herunter zu kochen, was herunter zu kochen sich anbot? Darauf versucht er in einem lesenswerten Artikel Antworten zu geben. Die Grundintension kann ich nur als nachahmenswert bestätigen. Es reichtLesenswert, danke Sascha Lobo!

Weblotse

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