1119/11: Positionen: Vom Alter, psychologischen Tricks, dem Versuch, Männlein, Weiblein + Nachbarn zu sortieren!

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Der Mensch um die 50 seiner Lebensjahre ist in einem permanenten Zwist mit sich selbst. Es geht um die Frage, ob was routiniert als Leben Revue passiert, ausreicht um alt zu werden oder ob das überhaupt erstrebenswert ist. Der Mensch um die 20 seiner Lebensjahre wäre niemals auf die Idee gekommen, älter als 40 zu werden. 40 sein, das hat schon was von scheintot sein, meinen zumindest nicht wenige 20-jährige. Mich seinerzeit eingeschlossen.

Inzwischen bin ich fast 50 Jahre alt und habe gelebt. Ich lebte Höhen und Tiefen, ich konnte weinen und lachen, manches davon erst nach einem gewissen Bemühen, derartige Ecken, Kanten, Leuchtkandelaber der Lebenslust zuzulassen. Die Jahre gingen dahin und da steh bzw. sitz ich nun herum und schaue auf dies Leben zurück.

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Böse Nachbarn unerwünscht!

In Bezug auf das Leben mit anderen haben wir früher viel genetzwerkt. Das hat sich inzwischen gänzlich eingestellt. Aber früher! Das Leben war noch nicht so in einen festen Kokon von Endgültigem eingesponnen, als dass es nicht interessant gewesen wäre, Bekanntschaften zu schließen. Man war noch neugieriger, nicht so abgeklärt. Bzw. abgeschmackt. Wenn man sich irgendwo bei einer Art Stelldichein traf, und sei es auf einer Stehparty mit Sekt, Gürkchen und Appetithappen, tauschte man papierene Visitenkarten. Welche gedruckt dabei zu haben, das war schon mal was.

Inzwischen mag ich weder Gürkchen- und Appetithäppchen-Festivitäten mehr, noch schätze ich papierene Visitenkarten. Bekomme ich heute eine, denke ich erstens, Gott, was ist dieser Mensch altbacken und halte sofort trotzig entgegen, wir könnten über die Schüttelapp „Shook me up, Baby“ auf dem iPhone vCard-Dateien austauschen. Wenn man nur wüsste, wie?

In den letzten aufgerundet dreißig Jahren dieses Lebens hat sich viel verändert. Eine digitale Revolution hat nahezu alle Lebensbereiche erfasst und was wir heute alles mit PC, Handy und digitalem Schnickerdöns „bearbeiten“, anstatt zu leben, das ist schon eine Menge. Der Großteil dieses „modernen Lebens“ bildet sich über digitale Inhalte ab, bzw. spiegelt sich in ihnen wieder.

Und dann ist da der Geschmack der schnellen, einfachen Wahrheiten, des oberflächlich Reizvollen, die Chimäre der Halbwahrheit. Zu ihr gehört die Erkenntnis, dass wir älter werden, wenn wir gesünder leben und -bspw.- Sport treiben. Was nur, wenn das Mühe macht? Einen Personal Trainer können sich nicht alle Fünfzigjährigen leisten. Also gibt es Hüttenzauber wie den der Erfolgsgeschichte von McFit, einer Kette, die nicht nur Love Parade-Pech hatte, sondern auch Fitnesserfolg deutschlandweit für 16,90 € pro Monat verspricht. Oder stimmt der Preis nicht mehr? Ich war zu faul, es zu überprüfen.

Zu faul war ich, mich dort anzumelden. Zu faul war ich, ein Probetraining zu absolvieren, zu faul war ich, mich auf eine längere Vertragslaufzeit mit Kleingedrucktem einzulassen, mit Kündigungsfristen, Klauseln, versteckten Fußangeln. So wie alle heutzutage nichts Besseres zu tun haben, als uns mit Kleingedrucktem die Lust am Leben zu vergällen. Ab einem bestimmten Alter fängt man an, visionär zu sehen. Dann gesellen sich zu den Dingen, die offenkundig vor einem herumliegen, zusätzliche Aspekte, die niemand gesagt hat, die aber vermeintlich „offenkundig“ sind. Ich bin offenkundig eine faule Sau. Besser faul als fett.

Um abzunehmen, musst du dir morgens ein paar Mohrrüben stifteln in feine Stiftel. Die kannst du dann tagsüber essen, immer wenn du Hunger hast. Mohrrüben machen satt. (Tipp eines Diätarztes zum Thema Abnehmen)

So wie die Behauptung, der Nachbar sei eine „fette Sau“, ist übergewichtig, und schuld ist er selbst. Das Akademikerpärchen von gegenüber: Deren Kinder erzählen in der Schule überall herum, dass ihre Eltern es zu etwas gebracht haben. Stimmt: eine Villa, ein Swimmigpool, Mercedes Benz-Limousine. Vor kurzem hatten sie sich ein Reise-Wohnmobil gekauft. Sie sind einmal damit in den Winterurlaub gefahren, ausgerechnet in den Winterurlaub. Das war todschick. Jetzt haben sie den Bus wieder verkauft. Er hatte was um die 60.000,- € gekostet.

Ist es eine Begabung oder eine Last, hinzusehen, zu sehen, zu betrachten und zu denken. Hinterhältig, aus dem Hinterhalt. Offenkundiges zu sehen und nicht einschreiten zu dürfen. Würdest du, was du denkst sagen, gäbe es Krieg. Also „halt die Schnauze“.

Ab einem gewissen Alter….! Wir können daher sicher sein, dass diese Einschätzung der Kinder in der Schule und auf dem Pausenhof keine „Eigenschöpfung im Geiste Gottes“ ist. Sie ist das Ergebnis des einhundert Mal Gebeteten, des Vorgesagten, eines Beschwörens ihres erlangten Reichtums, von Material, Materiellem, Haben, nicht Sein, Besitz und Wohlstand, endlich, nach all den Jahren der Entbehrungen, iranische Revolution und Umkehrung von Flucht und Vertreibung in das Gegenteil: materiellen Wohlstand. Schrecklich.

Ab einem gewissen Alter haben sie sich sortiert und gesagt, sie sind etwas Besseres, sie haben es geschafft und was sie haben, kann ihnen niemand mehr nehmen. Irgendwann. Vor vielen Jahren. Es ist eine irgendwie abgehobene, eine beleidigenden Sichtweise, von oben herab auf Nachbarn und Mitmenschen, die nicht das geschafft haben, was sie selbst geschafft haben, eine Art Darwinsche Überlegenheitsstrategie. Es ist nicht eine Überlebensstrategie, wohlgemerkt. Die Kinder plappern, was sie zuhause hören, unreflektiert nach. Niemand sagt ihnen, das tut man nicht, so zu reden. Denn sogar die Eltern reden so, mit Erfolg oder mit, was sie für Erfolg halten, andere verächtlich machen.

Vor zwei Jahren hat der Sohn das erste Mal sein Gesicht gezeigt, virtuell. Via facebook hat er die Nachbarstochter von gegenüber niedergemacht, hat ihr auf die Pinnwand geschrieben, sie sei hässlich, zu dick, eben so wie ihr Vater, unansehnlich, und ihre Eltern hätten es zu nichts gebracht. Sie seien „übergewichtige Verlierer“. Er hört Technomusic, wenn die Eltern aus sind, sie sind Iraner, hört man ihn mit den Jungs von gegenüber stoßartig „Du Hure, Du Hure“ durchs Haus rufen. Wenn die Eltern da sind, spielt er den biederen Artigen.  Für seine 14 Jahre ist er viel zu klein. Jungs in seinem Alter sind 30 cm grösser. Wird er mal „ein kleiner Mann“, man sagt, das sind die Gefährlichen. Die Eltern der im Internet gemobbten Tochter von gegenüber erfuhren, was gesagt worden war via Pinnwand.

Sie sprachen die Eltern des Jungen von gegenüber an. Er war jetzt in Kanada in einem „Elite-Internat“ für eine Zeit: Er soll Tugendhaftigkeit lernen, ein Stück reifer werden, egal was es kostet. Es kostete viel. Ein paar Gespräche im Bermudadreieck der Nachbarn, Dreiecksgespräche. Schräg gegenüber wohnen die Eltern von zwei weiteren Söhnen und die haben regelmäßig Kontakt mit dem zu klein Geratenen, der so fies austeilt, weil er was besseres ist. Eingetrichtert haben es ihm allerdings seine Eltern, von frühester Kindheit an. Sie wollen ihm jetzt beibringen, das niemals offen zu sagen, sondern so zu leben, aber stillschweigend. Erhabene Überlegenheit, nonverbal.

Neulich hat die Schwester des Jungen auf dem Schulhof auch sowas gesagt, der Mann von gegenüber stecke in finanziellen Schwierigkeiten. Das war jetzt schon das zweite Mal. Und sie wissen, was er neulich getan hat. Es ist aufgezeichnet. Auf Videos. Die Wiederholung dieser verdeckten Bösartigkeiten hat jetzt eine Art System: es ist eine Welt der Wissensvermittlung an die Kinder, in der diese lernen, dass die Welt nicht so ist, wie sie scheint, dass Andere Dinge tun, die Straftaten darstellen, um ihre finanziellen Probleme zu lösen und dann so tun, als stecke dahinter ein fieser Angriff der bösartigen Außenwelt. Ist es am Ende das, was sie selbst, die Eltern, immer glaubten?

Die von gegenüber haben jetzt die Faxen dicke. Was diese Kinder so von sich geben, ist das Ergebnis eines elitären Überlegenheitsgefühls auf der Basis von Geld. Sie reden mit „denen“ jetzt nicht mehr. Es ist zu viel gesagt worden, dass nicht stimmt und das viel zu weit unterhalb der Gürtellinie war.

Mit einem Kopftuchmädchen gesprochen: Sie hofft, dass es jetzt was wird mit ihrer Juraprofessur! (Rechtsanwalt Udo Vetter, Düsseldorf, via Twitter)

Deutsche Kopftuchmädchen mit Eltern - 1911/Kanada

Deutsche Kopftuchmädchen mit Eltern - 1911/Kanada

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