1102/11: Email & Internet: Die Einrichtung der eigenen Emailadresse: Können Bäume sich verwandeln?

Internet und Email

Denn ein Baum zu sein hatte er schon manchmal gewünscht, weil die Bäume ihm so voll Ruhe, Kraft und Würde zu sein schienen. Piktor wurde ein Baum. Er wuchs in die Höhe, Blätter trieben und Zweige aus seine Gliedern. Er war damit sehr zufrieden, Er sog mit durstigen Fasern tief in der kühlen Erde, und wehte mit seinem Blättern hoch im Blauen. Käfer wohnten in seiner Rinde, zu seinen Füßen wohnten Hase und Igel, in seinen Zweigen die Vögel. Der Baum Piktor war glücklich und zählte die Jahre nicht, welche vergingen. Sehr viele Jahre gingen hin, eh er merkte, daß sein Glück nicht vollkommen sei. Langsam nur lernte er mit den Baum-Augen sehen. Endlich war er sehend, und wurde traurig. Er sah nämlich, daß rings um ihn her im Paradiese die meisten Wesen sich sehr häufig verwandelten, ja daß alles in einem Zauberstrom ewiger Verwandlung floß. (Piktors Verwandlungen, 1922, Hermann Hesse)

Ja, das Internet ist nun ein paar Jahre alt. Die einen lieben es, die anderen halten es für eine Scheinwelt. Wie auch immer. Das Internet hat sich durchgesetzt. Insofern eine Binsenweisheit, auf deren Rapport wir hier hätten verzichten können. Und doch kann man noch mal ins Grübeln kommen: Die Deutsche Post bewirbt jetzt die d-Mail als rechtssicherer Nachfolger der Email, soweit muss man gar nicht gehen wollen: sich einen authentischen, rechtssicheren, bürgerlichen Klarnamen anschaffen, z.B.: Basilius.Bloggwart@email.de . Okay, ich heiße nicht Basisilius, von wegen Bürgerlichkeit.

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Piktor´s Verwandlungen – Teil 1/4 – (Hermann Hesse) – Anyone´s Daughter (via Youtube)

Nein, es geht nicht nur um Rechtssicherheit. Es geht auch darum, schlicht und ergreifend man selbst zu sein: Ich habe eine Emailadresse, also bin ich. Wer und was auch immer ich bin. Auch in vielen Familienhaushalten gibt es Emailadressen. In manchen Haushalten werden diese von den Haushaltsvorständen angelegt: oft sind es die Männer. Sie sind „technisch interessierter“, gewiefter, verspielter, egal, sie haben einen elektronischen Channel entwickelt und betreiben ihn mit Erfolg seit Jahren. Die ganze Familie besitzt eine einheitliche Emailadresse. Wie auch in dem Fall einer bayerischen Familie aus der Nähe vom Staffelsee.


Piktor´s Verwandlungen – Teil 2/4 – (Hermann Hesse) – Anyone´s Daughter (via Youtube)

Die Emailadresse lautet (* Namen alle geändert):

VPML@t-online.de  und steht für Viktor (Vater), Paula (Mutter), Martina (Tochter) und Ludmilla (Tochter): weiterer Nachwuchs ist derzeit nicht in Planung

Hier hatte Paula, die Mutter, die Emailadresse eingerichtet und betrieben, als so eine Art Familienbriefkasten. Doch jetzt haben sich die Zeiten geändert. Das frühe Jahr 2011 ruft nach Veränderung: die jahrelange Übung soll jetzt abgeändert werden, Viktor (der Vater) schreibt jetzt an seine Freunde überall anderswo:

Hi Leute! Ich habe mich von meiner Frau losgesagt….freu mich, bald was zu hören….Liebe Grüße, Viktor

Genau: Es gibt jetzt einen „eigenen“ (elektrotechnischen) Weg, einen „Channel“, auf dem Viktor seine eigenen Dinge in die Hand, in die Tastatur und in die Welt verschickter Buchstabensuppen wirft, ohne jeden Geschmacksverstärker, Lust pur, Appetit. Was sich zuerst schrecklich liest, ist in Wahrheit nichts anderes als die Erkenntnis, dass im eigenen Schreiben, Versenden und Empfangen auch jenes Quantum Privatleben, ein eigenes Selbst steckt, dass man nun mal als Mensch, ob verheiratet oder nicht, dringend benötigt.


Piktor´s Verwandlungen – Teil 3/4 – (Hermann Hesse) – Anyone´s Daughter (via Youtube)

Das Aufschreiben von Dingen ist eine ganz andere Ebene, als das mündlich Gesagte. Das Gesagte ist ätherischer, es verflüchtigt sich und schwupps, weg ist es. Das Aufgeschriebene hingegen ist, bei aller Notwendigkeit, es auskömmlich zu üben, beständiger. Okay, es kann gelöscht werden oder in den Spamordner geraten. Wer das Kommen und Gehen seiner Emails jedoch einigermaßen beherrscht, weiß das Geschriebene als Ergänzung zum Gesagten zu schätzen. Es gibt allerdings auch, wovor man deutlich warnen muss, bei manchen Menschen, die Tendenz, das Schriftliche zu bevorzugen. Im Kontext von Kommunikation zwischen zwei Menschen ist das Schriftliche einseitiger, als das Mündliche im Gespräch, worüber durch Rede und Gegenrede schnellerer Austausch erfolgt.

Man kann Viktor, dem Auslöser für diese kleine Kurzbetrachtung, zu diesem richtigen Schritt nur gratulieren: Das Besondere an einem Menschen, das ist seine Wandlungsfähigkeit. Es sind Viktors Verwandlugen, die ihn zu einem besonderen Menschen machen. Gut gemacht. Er ist zwar nicht Elektriker: aber die eigene Emailadresse, die hat ihn jetzt irgendwie zusätzlich geerdet. Richtig so.


Piktor´s Verwandlungen – Teil 4/4 – (Hermann Hesse) – Anyone´s Daughter (via Youtube)

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