899/2010: Moderne Märchen: Es war einmal in Wohnungseigentümerland: Der Wohngeldschuldner

Es war einmal... (Moderne Märchen)

…., da lebte ein türkischer Wohnungseigentümer in beengten Wohnverhältnissen. Ja, liebe Kinder, er hatte die Wohnung, die er demnächst beziehen wollte, auf einer Zwangsversteigerung erworben. Und dann war er bei der alten Frau, die in seiner neuen Wohnung wohnte, unangemeldet aufgetaucht und forderte unter Zuhilfenahme seiner ganzen, vielköpfigen Familie an der Wohnungstür in dem alten Berliner Bezirk Schöneberg, dass die alte Mieterin nun jetzt erst einmal ausziehen müsse. Die alte Frau war schon über 80 und ihr Gang war müde vom vielen Leben und einem gerüttelt Maß an lebenslanger Arbeit. Und auch wenn sie krumm und schlurfend ging, eine Hexe war sie nicht! Wenn sie auch rauchte….

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Dass sie rauchte, das hatte sie sich redlich verdient. Sie ließ es sich von niemandem mehr verbieten. Sie hatte ihr Leben lang geraucht. Schon seit vielen Jahren rauchte sie am Fenster, die Ellbogen aufgestützt auf dem Fensterbrett ihrer Erdgeschoßwohnung, zur Straße hin. Die Menschen in der Straße kannten sie gut, jeder kannte sie und wenn es etwas Neues gab in der Gegend, dann wussten es auch gleich alle: Denn die alte Dame hatte keine Kommunikationsknoten.

Sie hatte es auch allen erzählt, wie diese türkische Familie vor der Tür gestanden hatte und die Spontanräumung ihrer Wohnung verlangt hatte. Sie hatte noch gesagt, nein, das ginge jetzt nicht, sie wohne hier schon über vierzig Jahre. Sie habe auch auf eigene Kosten eine Ölheizung eingebaut und überhaupt, einen alten Baum….

Also ging die Sache über einen Anwalt, später.

Seit dem der junge Türke wusste, dass die alte Frau nicht ohne weiteres ausziehen würde, war seine Stimmung merklich dahin geschmolzen. Und viele Chancen hatte er nicht, die alte Dame gleich mal „ad hoc“ loszuwerden. Ein langfristiger Rechtsstreit drohte. Die Tage und Wochen gingen dahin und auch die Jahre. Schon seit 10 Monaten hatte die Verwaltung die Zahlung des vereinbarten Aderlass gefordert, in deren fremder Sprache „Wohngeld“. Auch diese Sache war beim Rechtsanwalt.

Da nahm der Bruder des jungen Türken die Sache in die Hand und beschloss, die Verwalterin anzurufen. Sie hatten schwierige Momente ihres Lebens immer so gelöst: als Familie.

Das hätte man doch nicht gleich mit einem Rechtanwalt, so sagte er, und schlug vor: „Da hätte man doch auch mal anrufen können!“ – Die widerborstige Sachbearbeiterin der Verwalterin wusste anderes: „Also telefonieren darüber ist nicht“, wendete sie ein, und „man könne auch auf drei Mahnungen mal reagieren.“ Sein Bruder sei jetzt aber in der Türkei, entgegnete der Bruder über seinen Bruder. Dann müsse er eben einen „Abwesenheitsvertreter, der solche Dinge regelt….“.

Da fiel es ihm wie „Schuppen aus den Haaren“ (Zitat Otto W.): „Wenn sie mit der Mieterin geheime Sache gegen meinen Bruder….“

Das Telefonat endet kurze Zeit später ergebnislos. Gezahlt wird jetzt doch! Alles. Denn Diskussionen darüber, was zu zahlen ist, gibt es nicht mehr. Abgewürgt. Bis zur Zwangsvollstreckung ist es nicht weit, Wohnungseigentümerland scheint abgebrannt. Und wenn sie nicht gestorben sind, dann vermuten sie noch heute…..

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