895/2010: FotoPodcast: Aushang des Tages „genitalische Aushänge“ – Vorsicht, Rücksicht, Nachsicht #Stilfragen

 

(Dieser Beitrag ist zugleich auch in der Kategorie Lied des Tages verschlagwortet.) 

LP Cover Hoffmann & Hoffmann

LP Cover Hoffmann & Hoffmann

 

Es war eine schnulzige Schlagerschmonzette, die die Gebrüder Hoffmann & Hoffmann einst (1983) zum Besten gaben: Vorsicht, Rücksicht, Nachsicht. Geschrieben von Volker Lechtenbrink

Das ist das Credo, aus dem die Verhaltensweisen von Mehrfamilienhausbewohnern eingerührt werden müssen. Es geht darum, aufeinander Rücksicht zu nehmen. Darüber kann streiten, wer sich einen in Berlin ausgehängten Privat-Hausaushang eines Bekenntnisträgers verinnerlicht, der jetzt via facebook auftauchte. Das Bekenntnis lautet, Eltern zu sein. Ob Eltern allerdings in ähnlicher Weise vorzugehen etwas Positives vorleben, ihren Kindern, indem sie Aushänge mit bemerkenswertem Inhalt ins Treppenhaus hängen, steht auf einem anderen Blatt. 

Denn ob eine junge Frau mit dunklen Haaren (nur noch auf dem Kopf) oder ein etwas dicklicher Mann allein oder zu zweit am Fenster stehen, ist für den Hausfrieden zunächst einmal von wenig Bedeutung. Bedeutungsschwanger wird die Angelegenheit, die einer – er hat Kinder – schriftlich festgehalten hat, durch die Art und Weise der Zur-Schau-Stellung vermittels eines Hausaushanges. Der hat folgenden Wortlaut

 

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Rasierte Genitalien, Begattung und dickliche Liebhaber

Rasierte Genitalien, Begattung und dickliche Liebhaber

 

Es ist eine Art „genitalischer Aushang“, also weiter weg vom „genialen Aushang“ und er zielt auf eine gewisse Breitenwirkung, offenbar nicht in erster Linie als gezielte Beschwerdeführung über ein „unmögliches Verhalten“, sondern darauf, jemanden an den Pranger zu stellen. Die Breitenwirkung hat er nun, der Aushangverfasser. Mehr als 3.000 facebook-Besuchern gefiel der Hausaushang und die Kommentare gehen in die Hunderte. Das Foto wurde am 27. Juli 2010 auf dem Profil des facebook-Nutzers Stephan Barth (verheiratet und -offensichtlich- Kinder oder war´s ein anderer, der diesen Aushang fertigte und Stephan Barth, Berliner, fotografierte ihn lediglich?). 

Die junge Frau mit den dunklen Haaren nur noch auf dem Kopf hat ein komplexes Privatleben und mit dem ist es nun dahin! Der Aushangschreiber zerrt ein intimes Detail an die Öffentlichkeit. Hätte es ausgereicht, die Dame am nächsten Tag diskret anzusprechen? Rücksicht?  Hat sie eventuell in einer ekstatischen Situation gar nicht mitbekommen, dass ihr Liebhaber sich allzu heftig am Heizkörper festgehalten hat und die lauten „kommunizierenden Heizungsrohre“ andere Hausbewohner erst auf das Ächzen und Stöhnen der lieben Liebenden aufmerksam machten? – Und nun schauten die Nachbarn aus dem gegenüberliegenden Fenster und wunderten sich, was die Beiden denn da treiben? Es war offensichtlich, sie gingen der „natürlichsten Sache der Welt“ nach, „am Fenster“! Einmal wissen, tief im Blute fühlen, dies ist mein, und es ist nur durch dich …. (CITY, 1977, Am Fenster) 

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Klar ist der Aushang köstlich, lustig, schräg und mithin erwähnenswert. Allerdings dürfte der Aushangautor auch gewiß gewesen sein, was er damit erreicht! Übersehen hat er nur, dass durch die Verbreitung via Internet diese Sache nun von Tausenden gesehen wird. Und zur Nachahmung anregt? 

gesichtspunkte.de meint

Das gehört eher in den Bereich vertraulicher Kommunikation und wenn eine junge Frau mit dunklen Haaren es eben gelegentlich tun will, so ist das gerade in den eigenen Privaträumen erlaubt. Rücksichtsvolles „Bumsen“ ist in Zeiten zunehmend abnehmender Gardinisierung von Fenstern (Gelsenkirchener Barock ist out) ein Gebot der Rücksicht. Leute, tut es nicht vor öffentlich einsehbaren Fenstern! Es muss ja auch nicht in der Besenkammer sein. Und wer ein solches sieht, dem sei ins Höflichkeitsstammbuch geschrieben: „Sei diskret“. Eine direkte, höfliche Ansprache der entsprechenden Liebhaberin ungewöhnlicher public-viewing-Stellungen hätte durchaus ausgereicht. Die Privatadresse von Stephan Barth werden wir hier allerdings nicht veröffentlichen! Insbesondere auch der rassigen Liebhaberin und ihres dicklichen Begatters zuliebe, deren Privatsphäre hierdurch empfindlich gestört würde. Kein Fall für die inzwischen aus der Mode gekommene Website „rotten neighbor“ (Mieterin im Dachgeschoß bumst gern mit dicklichen Liebhabern am offenen Fenster und hält sich dabei am Heizkörper fest“) 

Allerdings: hoher Humorfaktor dies! Der Vollständigkeit halber noch die eingangs erwähnte Schmachtschmonzette als „Lied des Tages“! 

  

Hoffmann & Hoffmann (1983) – Vorsicht, Rücksicht – via Youtube 

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