829/2010: Nachruf: Irmgard V. aus Berlin-Lankwitz ist verstorben – Versuch eines Nachrufs

Ausriss aus Todesanzeige - Herrmann Hesse

Ausriss aus Todesanzeige - Herrmann Hesse

Berlin-Lankwitz ist ein alt gutbürgerliches Bollwerk gegen zu viel Modernität, südlich von Steglitz gelegen. Vor kurzem verstarb hier die Politikerin Hanna Renata Laurien, in ehrwürdigem Alter. An einem Tod zu diesem späten Zeitpunkt eines gelebten Lebens hat man nichts auszusetzen. Der Tod kann einem passieren. Unter ganz bestimmten Umständen mag der Tod sogar die Befreiung von einer großen Last, einer Bürde sein, die man zeitlebens oder auch nur abschnittsweise zu tragen hat. Dies gilt im Besonderen auch für Irmgard V. aus Berlin-Lankwitz, geboren 1924 und verstorben am 4.6.2010.

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Sie hatte ein langes Leben gelebt. Es war intensiv, aber harmonisch und ihre Aura, das war so ein gewisser Anschein von „grande dame“. Sie besaß eine würdevolle Ausstrahlung, war voller Wissen um das Leben und seine Abgründe und immer eine gute Zuhörerin. Jetzt wurde sie nach langer Krankheit erlöst und zu ihrem vor Jahren im Alter von über 90 Jahren verstorbenen Ehemann „abgeholt“. Endlich sehen sie sich wieder.

Sie hatten noch vor kurzem geheiratet. Ich kenne sie seit 1994 und so lange betreute ich schon die Wohnanlage, in der sie bis zuletzt wohnte. Nur wenige Wochen vor ihrem Tod war sie ein Rundum-Pflegefall geworden. Das ist jetzt vorbei.

Sie hatte ihre Not mit ein paar Nachbarn, die als gerichtsbekannte Querulanten „Gott und die Welt“ verklagten, auch in Wohnungseigentumsdingen. Diese Querulanten, die kannte jeder, der in Berlin mit Gerichten ab und zu zutun hat. Ein Oberverwaltungsrichter erinnert die Querulantin noch, wie sie als Lehrerin über ihre Bezüge mit dem Land Berlin stritt. Irmgard V. hat das verabscheut, dieses stete Recht haben wollen. Irgendwann verbat sie sich Anrufe von ihren querulatorischen Nachbarn. Das Querulanten-Ehepaar wurde nach §§ 18, 19 WEG mit der gerichtlichen Entziehung des Eigentums erfolgreich verklagt. Auch das Gericht befand, diese Querulanten seien der WEG nicht zuzumuten.

Einen solchen Prozess führte ich seinerzeit das erste Mal, und gleich erfolgreich.

Nach all den Jahren der Aufregung vor Gericht und „auf hoher See“ waren die Querulanten erfolgreich heraus geklagt worden. Nun war endlich Ruhe in der Wohnanlage. Ein verdienter, aber hart erkämpfter Sieg in Richtung Gemeinschaftsbefriedung. Die Querulantin verstarb unerwartet und just, als der erzwungene Verkauf der Wohnung erfolgreich durchgesetzt worden war. Ein Zufall?

Im Nachhinein ist tröstlich zu wissen, dass damit die letzten fünf, sechs Jahre für Frau Irmgard V. ruhiger verliefen. Kein Stress mehr mit marodierenden, ketzerischen Rundschreiben, keine Prozesse mehr, die Altakten konnten verbrannt werden. Ob sie verbrannt wurden, wissen wir nicht. Aber es war Ruhe. Richtig Ruhe. So wie in Lankwitz Ruhe ist, wenn Ruhe ist. Wenigstens die letzten Jahre ihres am Ende gesundheitlich angeschlagenen Lebens hat Irmgard V., die würdige, honorige, alte Dame in Ruhe verleben dürfen. Es war nur noch wenig von ihr zu hören.

Sie hatte sich aufs Altenteil zurückgezogen. Ruhe in Frieden, Irmgard V., wir von der Hausverwaltung haben sie immer besonders gern gehabt! Und ein Stück weit sind wir heute auch berührt, ihr diese „verdiente Ruhe“ der letzten Jahre mit einem überaus großen Engagement ermöglicht zu haben. Haben wir gern gemacht!

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