774/2010: Abstimmprozesse: In Berlin-Kreuzberg will ein Gastronom eine Sitzlandschaft im Außenbereich errichten!

Kneipe - Stampe - Bierlokal

Das Zepter der gastronomischen Lücke, die die beiden Gastronomen füllen möchten, ist allerdings nicht das Flaschenbiergeschäft. Der Laden heißt anders und vor dem Haus hängt auch keine Biersonne, also ein rundes Schultheiß-Schild. Der Laden hat sich dem Cava verschrieben und schenkt diesen aus. Spanischer Sekt wird so genannt. Davon gibt es einige Sorten, von denen diese beiden Gastronomen behaupten, er munde vorzüglich und eigne sich sogar für das Kerngeschäft, dort in Berlin-Kreuzberg.

Das Begehren ist einfach: Im Sommer sollen die Gäste auch vor der Tür, auf dem öffentlichen Straßenland Sekt schlürfen dürfen. Dazu muss eine Art Sitzlandschaft entstehen, mit Möblierungsplan und -so ist es dort nun mal- Tischen und Stühlen vor dem unsererseits verwalteten Grundstück. Schanklärm in Berlin, das ist ein empfindliches Thema. Als die Verwalterin dies Ansinnen telefonisch mitgeteilt bekommt, muss sie erst einmal kurz überlegen.


_seitentrenner Flugzeug

Anders als der russische Präsident Jelzin ist der polnische Ministerpräsident am Wochenende ohne jeden Restalkohol abgestürzt und mit ihm etliche weitere Hochrangige aus der polnischen Regierung. Dass die Polen insgesamt stark erschüttert sind, auch junge Polen, überrascht uns. Wie es wohl gewesen wäre, wenn eine gleichrangige Ministerpräsidentin, bei uns die Bundeskanzlerin, überlegt man? Eine Staatstrauer von insgesamt einer Kalenderwoche ist angeordnet. In Russland, einem unendlichen Land, gibt es ebenfalls eine Staatstrauer. Auch wenn dieser Ministerpräsident in Sachen Deutschland und Nachbarschaftsverhältnis immer eine äußerst grenzwertige Meinung vertreten hat, die aus Geschichtlichem herrührt: unser Mitgefühl gilt den Polen. Dass in Deutschland ähnlich gefühlt würde, wenn wie eingangs angedeutet, ist ein verbotenes Gedankenspiel, allerdings ist schwer vorstellbar, dass hier in Deutschland ähnlich ….wir stellen allerdings heute eine virtuelle Trauerkerze für die Gestorbenen auf und gedenken ihrer.

Biertischzettel mit Meinung

Biertischzettel mit Meinung

In Berlin-Kreuzberg, um zum Thema zurück zu kommen, soll der gastronomische Kick ausgeweitet werden. Seit wir wissen, dass in den Niederungen der deutschen Gastronomie so wichtige, essenzielle Entscheidungen getroffen werden (Bild), wissen wir ferner, dass es eine unserer vornehmsten Aufgaben ist, die Entwicklung einer gedeihlichen Gastronomieszene nach Kräften zu fördern. Die Bestuhlung, die Möbellandschaft, die auf dem öffentlichen Trottoir entstehen soll, erstreckte sich auf das Haus, in dem die Sektkneipe ansässig ist und darüber hinaus. Vor dem Nachbarhaus, das unserer Verwaltung unterliegt, ist eine Insel auf dem Gehweg gezogen. Der sonst nur drei bis dreieinhalb Meter breite Bürgersteig hat dort eine inselähnliche Auskerbung und ist mindestens das Doppelte so breit, dort auch Straßenbäume und Laternen. Die Menschen stellen dort gern ihre Fahrräder hin.

Die antragstellenden Gastronomen bedürfen unserer Erlaubnis eigentlich nicht. Denn das ist das öffentliche Straßenland. Allerdings müssen wir zustimmen, finden sie, weil wir Betroffene sind. Das ist im Grundsatz richtig. Auch das Tiefbauamt Kreuzberg hat denen das gesagt. Und würden wir das genehmigen? Was wäre der Vorteil für uns? Nicht in erster Linie finanziell, sondern gäbe es eine Art Zugewinn an Lebensqualität in einem hoch bzw. dicht besiedelten Ballungsraum wie dieser „Szenestraße“?

Ein Verwalter von Wohnungseigentümern muss hier anders denken, als ein Verwalter eines Mietwohn-Mehrfamilienhauses. Es gilt zunächst, die Bewohnerbefragung in richtiger, zielführender Weise anzuschubsen. Die Bewohner (Miteigentümer) wählen einen Verwaltungsbeirat, der besteht aus drei Personen und ist „Vorfilter“ eines eventuellen Vorgehens. Also fragt die Verwalterin als erstes in dieses Gremium hinein und bittet um O-Töne. Über das Wochenende sind bei drei Beiratsmitgliedern drei O-Töne gewachsen und es liegen Antworten in drei Emails vor.

Ein Mitglied des dortigen Beirats schreibt uns:

Eine Zustimmung ist sicher in erster Linie eine Frage an die Bewohner des Vorderhauses. Ich als Seitenflügelbewohnerin würde nur Wert darauf legen, dass nicht die gesamte Länge vor
unserem Haus bestuhlt wird, dass z.B. in der Breite unseres Tores der Zugang zur Straße frei bliebe (Thema: Zugänglichkeit auch mit Kinderwagen, von denen wir viele haben etc.) Kneipenlandschaften im Freien haben ja bekanntlich – besonders in unserem Kiez – einen Hang zur Expansion und ein Selbstbewusstsein, dass die (verzweifelten) Passanten auf die Plätze
verweist.

Ein weiteres Mitglied des Beirats sagt:

Ich bin in der Beziehung traumatisiert. Hab jahrelang über einer Kneipe, bzw. deren „Aussenanlage“ gewohnt. Die sagten auch: 22 Uhr ist Schluß. Ehe dann die letzten Gäste weg waren, abgeräumt war und die Tische zusammengestellt waren, zeigte die Uhr meistens auch schon 1 Uhr. Zu der Zeit mußte ich meistens gegen 5.30 Uhr raus. Ich finde es auch nicht so toll, wenn sich dann alles vor unserer Tür abspielt. Auch wenn die Dame jetzt sagt, dass alles begrenzt ist. Erfahrungsgemäß weitet sich so etwas nach einer Weile von selber aus. Der Dreck bleibt liegen und man muss sich mit irgendwelchen Einkäufen etc. zum Eingang „durchkämpfen“. Sieht man ja teilweise schon beim Cafe nebenan mit den zwei, drei Tischen. Mich reißt die Idee also nicht vom Hocker… und „ruhiges Wohnen“ ist sicherlich anders – wir haben ja auch schon den Bolzplatz…

Die dritte Meinung trägt weitere Gesichtspunkte:

Wir sollten vorher darauf hinweisen, dass sich alle die räumlichen Gegebenheiten nochmal in Ruhe anschauen. Ich persönlich bin auch unentschieden. Wir sind ja jetzt hier eh Ausgehgegend, wodurch unser Kiez beträchtlich aufgewertet wurde, insofern ist es eigentlich schlüssig, das auch zu unterstützen, wenn unser Zugang dabei nicht beinträchtigt wird. Und laut ist es durch das (Name anderer Kneipe) eh schon… Wenn wir dem zustimmen sollten, dann auf alle Fälle zeitlich befristet, so dass wir das Ganze ‚mal ausprobieren‘ können.

  • Vorderhaus und Garten und Seitenflügel: Sind drei verschiedene, betroffene Gebäude auch solche, die unterschiedlich stark hiervon betroffen sind?
  • Muss eine derartige Zustimmung unwiderruflich erteilt werden, falls man zumindest erst einmal ausprobieren will, ob das -gutnachbarschaftlich- ginge? Um nicht gleich „nein“ zu sagen?
  • Man will selbst stets gut und „mit offenem Ohr“ behandelt werden, und insofern verbietet sich ein striktes Nein von vornherein als etwas, dass die Atmosphäre vergiften könnte. Man muss ordentlich abwägen. Sich damit auseinandersetzen. Ob was draus wird?
  • Klar ist: Der Beirat hat nur Beratungsfunktionen und entscheidet das nicht. Klar ist auch, dass auch die Verwalterin dies nicht entscheidet. Klar ist, das muss auf eine Eigentümerversammlung und dort entschieden werden. Alle wesentlichen Gesichtspunkte sind bereits benannt. Der Gastronom muss, wenn er das Ziel ernstlich weiterverfolgen will, jetzt „Butter bei die Fische“ bringen und sich klar und unmissverständlich einlassen, die Sache verbindlich beschreiben, sie zeichnen maßstäblich und von der Ansicht her und innerlich ausgestalten. Dafür ist weder die Nachbarin, noch die Verwalterin der Nachbarin (huch, ist die Welt weiblich) zuständig, das muss von „Dänen“ (denen) kommen.
Frischer Fisch!

Frischer Fisch!

Schreibe einen Kommentar

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.