Abwegig: Vermietung aus Rache ist ein niedriger Beweggrund

 Nachbarn, Nachbarn - Geschichten aus dem Alltag

Über einen Rachefeldzug eines Apothekers in Berlin schreibt Jochen Hoff aus Berlin-Wilmersdorf

Zitat Der miese Apotheker hat dann am schwarzen Brett seines Hauses einen Zettel angebracht, auf dem er nicht nur behauptete der Mieter habe seine Wohnung so schwer verwohnt, das größere Reparaturen notwendig sei, sondern er machte seine Rache auch noch vollkommen, in dem er den Namen des Mieters mit allen Vor- und Nachnamen noch einmal laut verkünden musste. Ein Arschloch-Apotheker halt.“ (Jochen Hoff, die ganze Geschichte hier)

Und was die Geschichte doch deutlich macht: Es geht um den Gesichtspunkt Rache im Verhältnis eines Vermieters zu seinem auf Abwegen wandelnden Mieter. Rache, weil einer die Miete nicht gezahlt hat, und Rache, weil das alles jetzt so lange gedauert hat, bis der Mieter „ordnungsgemäß verknackt“ war, bis der Gerichtsvollzieher die Räumung durchführen konnte. Aber die Umgebung des Apothekers ist irgendwie zivil ungehorsam. Denn was er sich geleistet hat, wertet seine Umwelt als „kackebraun“ und will ihn dementsprechend lackieren. Das sieht nach zivilem Ungehorsam aus. Dass man Menschen nicht an den Pranger stellen kann, in dem man sie in einem Hausaushang solcher Dinge bezichtigt, und das mit voller Namensnennung.  Jochen Hoff hat ein paar Vorschläge parat, über die man nachdenken kann, und deswegen empfiehlt es sich auch, den Artikel von Jochen Hoff zu lesen. Auch wenn wir hier und da anderer Meinung sind. Auslöser aber ist der Gesichtspunkt „Rache“ im Umgang von Menschen miteinander, die sich im Umfeld von Haus- und Grundstücksverwaltung zoffen.

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Tafel "indian style" - Berlin, Prenzlauer Berg

Tafel "indian style" - Berlin, Prenzlauer Berg

Was wir auch oft hören und miterlebt haben: Das Haus gehört mehreren Parteien, diese sind Wohnungseigentümer. Einer zieht aus, weil er sich partout nicht in die Hausgemeinschaft einfügen kann. Er zieht es vor, weg zu ziehen und Auseinandersetzungen zu beenden, die jahrelang -oft erbittert und kleinlich- geführt wurden. Er sucht nach Frieden, Glück, nach Ruhe und nach einem Ende von Streitigkeiten. Es ist ein löbliches Ansinnen, unter bestimmten Umständen kann es sinnvoll sein, so zu verfahren. Aber dann kommt dieser glückwidrige Zustand eines tiefen Hassgefühls, und der Wegziehende überlegt noch einen Moment, wie er einem anderen seine eigene, erlebte Schmach „heimzahlen“ kann. So ist dieser Wunsch der Vater aller Gedanken. Mit dem Verkauf der Wohnung klappt es derzeit nicht. Die Preise sind eher unten, im Vergleich zu damals.

Aus Rache wird die Idee geboren, die unverkäufliche Wohnung nun an eine Person zu vermieten, die es den verbliebenen Hausbewohnern ganz und gar unmöglich macht, auskömmlich zu leben. Es geht um die Zerstörung von Lebensqualität, um Revanche, kurz: es sind niedere Beweggründe. Der Gedanke, das zu tun, ist nicht neu. Die Idee war ursprünglich, eine afghanische Großfamilie mit zehn Kindern einziehen zu lassen. Würde diese Feuer machen, in der Mitte des Wohnzimmers, um Essen zu kochen? Eine menschenfeindliche Idee und eine abwegige Vorstellung, vor allem den Afghanen gegenüber. Und große Unkenntnis von der Wandlungsfähigkeit von Menschen, die ihrer Heimat entrissen in anderen Ländern Zuflucht suchen. Gern essen wir afghanisch, indisch oder thailändisch, und fühlen uns inspiriert von fremdländischen Geschmäckern, aber unsere Wohnungen freundlichen Menschen wie diesen vermieten, das denken wir uns nur als Rachegedanke aus. Eine zutiefst befremdliche, menschenfeindliche Einstellung.

Und wäre der Verbliebene beispielsweise ein Kripobeamter, der vor Jahren einen Großdealer gefangen genommen hat, der nun nach fünf Jahren Gefängnis wieder frei kommt. Dieser wäre dann der ideale Mieter „aus Rache“, und der Kripobeamte würde sich nun nicht mehr wohlfühlen? Der Weg ist das Ziel, ist die Absicht, ist die Intension. Es gibt Menschen, die vermieten ganz gezielt anderen ihre Wohnungen, um Rache an anderen zu üben. Ehemalige Nachbarn. Ganz normal ist das nicht.

Die Handlungen eines solchen Nachbarn werfen daher mehr Fragen an die Persönlichkeit dieses Nachbarn auf, als das man dafür noch weitergehende Beweise zusammenstellen müsste. Ob Apotheker, Unternehmer oder Kunsthistoriker: ein solcher Mensch hat schlechte Karten, von uns anerkannt zu werden, aus ganz nachvollziehbaren, moralischen Gründen.

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Der Report: Nachbarn, Nachbarn (Geschichten aus dem Alltag) ist hier nachlesbar.