Geschichte in Augenblicken: Das ‚Aufmüpfen oller Kabachen‘ im Wandel der Zeiten…

Historie

 

Wir schreiben das Jahr 1980 und ein Auszubildender beginnt seine berufliche Zukunft als externer hyperlinkKaufmann in der Grundstücks- und Wohnungswirtschaft. Die Auszubildenden der externer hyperlinkDeutschen Gesellschaft zur Förderung des Wohnungsbaues, kurz DEGEWO, waren schon anfänglich in erste Untergruppierungen von Jugendlichen verstrickt. Es gab die ersten Popper, eine Spezies, die inzwischen ausgestorben ist. Schicken Seitenscheitel, eine Möhren-, nein Karottenhose, schwarze Lackschuhe mit Schleifchen drauf. Gott bewahre. Wohnungswirtschaftler waren allerdings nicht Punks, denn das hätte nicht zusammen gepasst. Die Eltern nicht weniger Heranwachsender auf der Suche nach beruflichem Profil empfehlen uns: ‚Geh doch zur Polizei, das ist sicher, und die suchen noch Nachwuchs.‘ Gut, pro forma mal einen Einstellungstest und dann noch Hotelkaufmann. Ein ganz schwieriges Unterfangen. In ganz Berlin(West, anno 1980) bilden sie zwei Hotelkaufleute aus. Das Steglitz International hat gerade eröffnet und der Personalchef will sich noch nicht zur Frage äußern, ob denn auch Auszubildende eingestellt werden. Das Arbeitsamt, Referat Lehrstellensuchen, am Ernst-Reuter-Platz empfiehlt kaufmännisch Interessierten: Mach doch Kaufmann in der Grundstücks- und Wohnungswirtschaft! Was? Diesen Beruf gibt es? Und -schwupps- schon eingestellt. Die Idee hört sich bestechend an: ‚Die städtischen Wohnungsbaugesellschaften in Berlin bauen und bewirtschaften öffentlich geförderten sozialen Wohnungsbau für die breiten Schichten der Bevölkerung.‘ Das hat so was von Sozialarbeit, gemeinnützigem Beruf und edler Tätigkeit.

22. September 1981 – Potsdamer Str., Schöneberg: Der aus Westdeutschland eingereiste Hausbesetzer externer hyperlinkKlaus-Jürgen Rattay gerät unter tragischen Umständen unter die Räder eines Linienbusses der BVG und wird zu Tode geschleift.

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Konzigwenzen

Konzigwenzen

Daraufhin brechen erhebliche Unruhen aus und entlang der Potsdamer Str. in Berlin-Schöneberg geht eine Vielzahl von Scheiben zu Bruch. Der wohnungswirtschaftliche Azubi läuft die Potsdamer Str. entlang, von dem Bürogebäude der DEGEWO herunter die Potsdamer Str. bis zum Kleistpark. Alles zu Bruch gegangen. Es war wohl die richtige Entscheidung, niemals bei der Polizei anzufangen. Polizisten sind in diesen heiklen Berliner Tagen ganz arme Schweine. Sie sind die Prügelknaben für das, was der Berliner Senat in puncto Städteplanung und Bau- und Wohnungswesen so angestellt hat. Nachdem etliche leerstehende Häuser in den Westbezirken besetzt wurden, wendet sich das Blatt langsam, ganz langsam. Die Besetzer bekommen Ohren geliehen. Man hört ihnen zu. Währenddessen lernt der Azubi im größten Stadterneuerungsgebiet von West-Berlin, im Sanierungsgebiet an der Brunnenstr. in Wedding, wie man Umzugswillige aus ‚Altbaukabachen‘ entmietet mit Telefongeld, Gardinengeld und Anspruch auf Neubauwohnung, denn ‚wir müpfen olle Kabachen auf‚ (Ausbildungsleiter Hans-Joachim Hinkelmann, DEGEWO, im innerbetrieblichen Unterricht).

Polizisten und Auszubildende in der Grundstücks- und Wohnungswirtschaft geraten unter politisch links Eingestellten nahezu in eine ähnliche Ecke: Die machen einen Beruf, der politisch nicht okay ist. Wer hätte diese Nähe zwischen beiden Berufen vermutet? Gleichwohl: Der Auszubildende bekommt stets zwei Seiten dieser beruflichen Medaille zu spüren. Die eine ist pure Ablehnung, denn dieser Beruf unterstützt ja dieses System. Die andere Seite ist die von möglicher Bevorzugung: Der Azubi lernt recht früh, auf Fragen nach seinem Beruf stets ausweichend zu antworten. Die praktisch automatische Folgefrage nach richtiger Antwort zum eigenen Beruf lautet: ‚Ey, hast Du mal ne Wohnung für mich/den/die/Mutter/Tante/Onkel…usw…‘ – Nein, man hat nicht automatisch eine Wohnung.

August 1984 – Moritzplatz, Kreuzberg: Die Internationale Bauausstellung wird in Berlin veranstaltet. Inzwischen gibt es etliche Fördertöpfe, aus denen begleitende Events bezahlt werden. Ein großes Rockkonzert findet statt. Die im Rahmen der IBA gebauten Wohnanlagen werden später, 2005, 2006 schon, erneut auf dem Prüfstand stehen, einige sollen sogar wieder abgerissen werden, doch das ist eine andere Geschichte.

September 1988: Der inzwischen beruflich fest im Sattel sitzende, ehemalige Auszubildende fährt durch die Straßen von Ost-Berlin. Die Kontakte nach drüben sind niemals abgerissen, es gibt familientechnische Bande nach drüben. Inzwischen schleicht sich eine erwachsene Sicht der Dinge ein, und der ständige Systemvergleich zwischen hüben und drüben zeitigt erste unternehmerische Auswüchse. Dieses Dingsbums namens KWV (Kommunale Wohnungsverwaltung), das ist ja irgendwie ein Unsinn. Man sieht das ja, dass das nicht funktioniert. Es ist ein unerhörter Instandhaltungsstau im kommunalen Wohnungsbestand der DDR sichtbar. Die eigenen (westdeutschen) Gedanken kreisen um die Frage, ob nicht die DDR-Bürger tatsächlich bereit wären, ein angemessenes Mehr an Miete zu entrichten, wenn dafür im Gegenzug die Wohnungen besser würden. Wie viel Gutes kann allein schon etwas Fassadenfarbe  tun? Eines Tages, da werde ich das den Systemoberen vorschlagen….

November 1989: Die DDR bricht über Nacht weg, weil sich Günter Schabowski verplappert. Die Mauer wird durchlässig und fällt schließlich ganz weg. Irgendwelche Dummköpfe ärgern sich jetzt darüber, dass bei Aldi die Ossis alles wegkaufen. Das ärgert uns, denn wir freuen uns über die deutsch-deutsche Vereinigung. Wir haben alle geweint vor Freude und werden das nie vergessen. Dummköpfe, die….

Die vorübergehende Wohnungsbauministerin Christa Luft (SED, PDS) sammelt Ideen zur Auflösung der immobileren Probleme. Sie bekommt auch ein Schreiben des ehemaligen Auszubildenden, in dem dieser die künftige privatwirtschaftliche Verwaltung von Mehrfamilienhausanlagen nach renditeorientierten Gesichtspunkten vorschlägt. Dass es dazu später kommt, ist nicht überraschend.

1994/5 bricht der Hype um den Berliner Immobilienmarkt in sich zusammen. Man kann sagen, dass die ‚Wendegewinnler‘ jetzt auf alles Hypotheken aufgenommen haben und die fällig werdenden Kreditzinsen brechen nicht wenigen schon bald wirtschaftlich das Genick.  Das ist eine ‚Immobilienblase‘ gewesen, wie später noch die ‚Internetblasen‘ aufkommen und in der Folgezeit dann zerplatzen sollen.

2009, zurück in die Gegenwart: Aus den ehemaligen Hausbesetzern sind Mieter, Hausbesitzer oder Wohnungseigentümer geworden. Man steht gesellig beisammen: ‚Und, was machst Du so?‘ ‚Ich verwalte Häuser!‘ – Die automatische Frage: ‚Ey, hast Du mal…..‘ unterbleibt. ‚Ach so, Makler!‘ – Ich: ‚Nein, Makler ist was ganz anderes!‘ Wieso? Was ist denn der Unterschied? – Makler sind gut angezogene Leute, die anderen Wohnungen, Häuser oder ganz einfach irgendwelche Immobilien anbieten, damit sie sie mieten oder kaufen! Dafür erhalten sie im Erfolgsfall eine Courtage, eine Maklerprovision. Früher waren Makler welche, die braungebrannt sind und mit Sportwagen herumfahren (zulässige Verallgemeinerung). Heute sind Makler welche, die aussehen wie du und ich, und nur selten so richtig erfolgreich Abschlüsse vorweisen können. Die Immobilienszene ist schwieriger geworden. Der Makler kommt, der Makler geht. Der Hausverwalter bleibt, jedenfalls, wenn er seine Arbeit ordentlich macht. Er muss auch nicht Sportwagen fahren und Goldkettchen tragen (wieder zulässige Verallgemeinerung, ich weiß, jeder ist anders), sondern er kann sich wetterbewusst robust kleiden. Mit festem Schuhwerk, denn er muss auch mal aufs Dach. Der Mietwohnungen verwaltende Makler muss heutzutage schon werben: Ja, ich bin Verwalter, und ich kann Dir übrigens auch tolle Wohnungen anbieten, Interesse? Kein Problem: Du bekommst ein Fahrrad, wenn Du mietest (genannt: inzentive Vermietung). Der Beruf ist inzwischen einigermaßen (besser) angesehen. Die politischen Beweggründe sind irgendwann verflogen. Heute dürfen Menschen sogar Polizisten sein! Dazu beigetragen hat Extrabreit mit dem Hit ‚Polizisten‘ und die verflossene Zeit. Der Wohnungsverwalter ist heutzutage ein moderner Büromensch, einer guten Organisation gegenüber aufgeschlossen.  Und auf Dauer trennt sich ‚die Spreu vom Weizen‘.

Die Geschichte ließe sich noch länger fortsetzen, aber dann überstiege die gerade noch zu akzeptierende Textmenge dieses Beitrages die Erwartungen ermüdender Leser. Fest steht aber eins: Das Ansehen des Berufs hat sich stark verändert.

2 Gedanken zu „Geschichte in Augenblicken: Das ‚Aufmüpfen oller Kabachen‘ im Wandel der Zeiten…

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