3190/17: Positionen: Von Meinungstierhaltung, Extremismusrelevanz und bundesdeutschen Großprojekten

Joker - mit Bildnachweis

Meinungstierhaltung: In Grüppchen schließen wir uns zusammen zu inhaltlich ähnlich Denkenden und bekräftigen unsere jeweilige Gruppenmeinung. Aber unsere Geduld ist längst am Ende. Widerspruch gegen unsere Meinung, da werden wir dünnhäutig, da keifen wir und teilen aus. Schnell packen wir Menschen in Lagerhaltung, Massenmenschhaltung: Das sind die Konservativen. Das sind die Linken. Und so fort. Gesellschaftliche Geduld war gestern.

Ganz schön kalt in Deutschland im Januar 2017.

Deutschland 2.0 ist auch irgendwie Deutschland entzwei. Kaputt.

Oder ohnmächtig?

Gelähmt.

Das Bundesverfassungsgericht hat Recht gesprochen. Das Urteil ist plus. Es heißt Meinungsfreiheit. Und: Man kann auch mal Scheiß denken. So lange es nicht relevant ist. Es besteht keine Wichtigkeit. Denn das Sammelbecken NPD ist nicht relevant. Offenbar gibt es (noch) eine Mehrheit mit vernünftigen Meinungen. Erst einmal, so lautet vielleicht umgekehrt das Credo, müsse ein irrlichtender Verein von zu kurz gekommenen Denkern irgendeine gesellschaftliche Relevanz erarbeiten. Dann wäre es wohl anders. Relevante Extremistenmeinungen darf das Bundesverfassungsgericht aber auch nicht verbieten. Nur deren Organisation in politischen Parteien.

Komposition, wusste Frank Zappa (Gott hab ihn gnädig, diesen klugen Mann), ist nichts anderes als die Organisation und Ordnung von Geräuschen. Man wünscht sich eine durchkomponierte, bunte Republik Deutschland.

 

Umgekehrt fragt sich der Berichterstatter nun, wie das Urteil des Bundesverfassungsgerichts zum Nichtverbot der NPD auf das seltsame Phänomen einer angeblichen Alternative für Deutschland anzuwenden wäre? Nein: In die NPD könnten wir alle kaum deswegen eintreten, um ihr Verbot zu erreichen. Weil sie dann die notwendige Relevanz besäße. Ein schmerzlicher Gedanke.

Wäre nicht das Urteil zur NPD auch auf den Fall AfD direkt übertragbar?

In einem Punkt schon: Wir dürfen vielleicht jetzt vermuten, dass die AfD inzwischen eine vergleichsweise große gesellschaftliche Relevanz besitzt. Dabei macht sie auch nichts anderes als die Gesellschaft zu spalten und Unordnung hinein zu bringen. Ob nun Bundesfrauke heute bullshit erzählt und ihn morgen wieder relativiert: Sie ist die Vorzeigefrau. Doch hinter Petry lauern schon die Brandredner aus Dresden. Sie zeigen Gesicht bzw. besser Fratze. Franz von Papen, Schleicher, Hitler, Deutschland 1933 hat ganz ähnliche Entwicklungen genommen. Aber bitte sauber differenziert: Jede noch so ähnlich anmutende Entwicklung wird doch ganz anders verlaufen. Die Zurückschau nach 1933 wird uns nichts nutzen.

Nicht bei den gesellschaftlich wichtigen Personen, sondern eher so im unteren Drittel der gedanklich geistig konstruktiven Fahnenstange gewinnt diese rechte Populistenclique Anhänger für krude, abseitige Theorien voll Hass und Minderwertigkeitskomplexen. Eine intellektuelle Speerspitze der bundesdeutschen Gesellschaft wird sie nie werden, ist einzuschätzen.

Vor vielen Jahren setzten Intellektuelle die Erkenntnis in die Welt, die bundesdeutsche Gesellschaft setze sich aus 20% Alkoholikern, 30% psychisch Kranken und 35% emotional gestörten Menschen zusammen. Genau bekomme ich diese nicht mehr gugelbare Statistik nicht zusammen, ohne für den Rest meines Lebens zu gugeln. Die Quintessenz war einfach: Wenn weit über 80% der Menschen in Deutschland schwerwiegende Probleme haben, dann müsse man sich nicht wundern über Wahlergebnisse. Ich halte das für einen Fehler: Man darf nicht einfach alle für dumm erklären.

Mit Interesse und sehr aufmerksam nehmen wir zur Kenntnis, wie angesichts der zu lobenden Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts die Herren Höcke + Co. schon wieder gegen unsere großartige Freiheitlichkeit, mit Andersdenkenden umzugehen, widerlich beckmessern. Das wollen wir nicht übergehen. Aber wir wollen uns übergeben.

Dieser bösartigen Sichtweise, die Deutschen bekämen immer die Regierung, die sie verdienten, habe ich immer entschlossen widersprochen.

In einer Witzegruppe auf facebook, deren Namen ich nicht nenne, um sie nicht in Verruf zu bringen, postete jemand einen Witzeversuch: Was ist das Lieblingslied der Grünen? – Die Antwort: Ihr Kinderlein kommet.

Was für ein infamer Versuch, grüne Politiker in eine geschichtliche Sache einzuordnen, über die man keinen Spaß machen kann. Ich muss hier nicht für die Grünen das Zeug reden, aber ich weiß, dass die Partei sich mit einigen Bauchschmerzen etwa dreißig Jahre alten Erfahrungen stellt, die in ihrer Gründungsphase mal damit ihren Anfang nahm, dass ein paar komplett Durchgeknallte am grünen Wegesrand krude Vorstellungen über universelle Sexualität, auch mit Kindern, vertraten.

Solche Witze sind angesichts unserer Aufklärung und fortgeschrittenen gesellschaftlichen Bildung nicht lustig und akzeptabel.

Dass so etwas Menschen witzig finden, zeigt aber ungefähr, wie viel wir unseren Zugang zu Emotionen und Gefühl schon verloren haben. Bzw. wie abgetrennt von verstandesgemäßer Beurteilung Menschen auf Teufel komm raus lustig sein möchten. Und gegen Andere ätzen.

In Hamburg wurde jetzt die Elbphilharmonie eingeweiht und vieles wurde schöngeredet. Am Ende ist die Elbphilharmonie nichts anderes als der Berliner Großfluchhafen. Ein Skandal. Die Sache ist eigentlich überhaupt nicht kompliziert zu beurteilen. Wenn in Deutschland niemand für schwerwiegendste Fehler haftet, darf man auch keine Philharmonien und Großflughäfen bauen. Ganz einfach.

Der Vollständigkeit halber sei noch erwähnt, dass nicht diejenigen es besser machen müssen, die derlei erkennen. Auch habe sie nicht zu sagen, wie es besser geht. Vielmehr liegt die Kerninkompetenz dafür bei denjenigen, die in Amt und Bezahlung sind – und schändlich versagen. Dass hier längst Köpfe rollen müssten, darf sich -wer Lust dazu hat- gern angesichts der Behandlung der so genannten Volkswagen-Dieselaffäre in Erinnerung rufen. Nur dass dies wohl eher in Amerika zur Durchsetzung gelangt, als in Deutschland, dem Wolfsland der an der Volkswagenburg.

Unter der Prämisse, dass der Staat Bauvorhaben durchführt, die öffentlichen Interessen folgen und für die ein Bedürfnis besteht, sind beide Großbauvorhaben nicht vernünftig geplant gewesen. Durch beide Bauvorhaben zieht sich persönliche Unfähigkeit, der Mangel eines Missmanagements und die Folgenlosigkeit ständiger Änderungen und Anpassungen bei gleichzeitig explodierenden Baukosten und -zeiten. Der Fehler im System ist schon genannt: Die Folgenlosigkeit von Fehlmanagement.

Niemand haftet persönlich für dieses Geld rauswerfen im großen Stil. Dieses System ist krank. Noch verweigern die Menschen nicht, ihre Steuern zu zahlen.

Ich fasse nochmals zusammen:
Deutschland ist im Januar 2017 ein Hort der gesellschaftlichen Unglückseligkeit. Mit rechtsradikalen Vollpfosten, politischen Versagern und tiefen gesellschaftlichen Eiskeilen zwischen den Menschen. Ich hab das hier nicht aufgeschrieben, weil ich eine Lösung weiß. Es ist eher so eine Art widerwilliger Bestandsaufnahme.

Ein Alpmärchen.

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