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3177/16: Nachruf: Frühstück mit Liebling Kreuzberg – Ein gelungener #Nachruf von Grit Maroske

Trauerkerze

Zum Tod von Manfred Krug

Es war 2001, als wir uns begegneten. Manfred Krug, Held meiner Kinderzeit in seiner Rolle als “König Drosselbart”, später Idol eines DDR-Teenagers wegen seiner Rolle in “Spur der Steine”, geliebter koddriger Rechtsanwalt in “Liebling Kreuzberg” und vor allem später von mir verehrt als beseelter Jazz-Musiker.

Ich arbeitete Tag für Tag in unserem kleinen Café direkt im Congresshotel. Nebenan in der Lausizhalle wurden regelmäßig Sendungen für den MDR aufgezeichnet, und so gehörten Prominente zu unseren täglichen Gästen. In unserem gemütlichen kleinen Laden gab es deshalb eine Regel: Wer zu uns kommt, kommt als Privatmensch in seiner Freizeit und hat wie jeder andere Mensch das Recht auf Privatsphäre und Ruhe. Wir behandelten also alle Gäste gleich freundlich, mit der gleichen Aufmerksamkeit und Diskretion und sorgten dafür, dass niemand belästigt wurde, der bei uns einkehrte, egal ob berühmt oder stinknormal.

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Manfred Krug – Die Ballade vom Briefträger Willliam L Moore aus Baltimore

Manfred Krug & die Rhythmusgruppe der Jazz-Optimisten Berlin spielen Wolf Biermanns Ballade vom Briefträger Willliam L Moore aus Baltimore

Nur ein einziges Mal in 10 Jahren habe ich meine eigene Regel gebrochen und einen Gast angesprochen, weil ich wirklich Fan war.

Im Hotel, das angrenzte, war Manfred Krug als “schwierig”, jähzornig, anspruchsvoll und als “Diva” verschrieen. Das Personal fürchtete sich vor ihm und seinen Ausbrüchen. Alle flatterten schon Tage vorher aufgeregt herum. Als ich sagte, ich würde mich auf ihn freuen und ihn gern kennenlernen, wünschte mir der befreundete Nachtportier “viel Glück” und meinte grinsend: “Ich werd dann deinen Nachruf schreiben.”

Tatsächlich gab es wohl mehrfach bei seinen Aufenthalten zornige Brüller oder Anranzer, wenn irgend etwas nicht richtig lief. Krug hatte gerade eine schwere Zeit, die Werbung für die Telekom, die er später als “größten Fehler seiner beruflichen Karriere” bezeichnet hatte, hing ihm immer noch nach.

In unsere Stadt kam er, um zu lesen und zu singen. Mein Idol so nah! Doch ich musste arbeiten und hatte keine Zeit, zu seiner Aufführung zu gehen, die nur 50 Meter von mir entfernt stattfand. Ich war tief deprimiert. Meine einzige Chance, ihn zu sehen, war also hier im Haus. Ich hatte mir im Jahr zuvor seine Platte “Schlafstörung” gekauft und war hingerissen und in Liebe für diese Stimme. Ich musste ihm wenigstens sagen, wie großartig ich sie fand.


Der Matrosen-Witz von Manfred Krug

Ich sprach einen befreundeten Tontechniker der Lausitzhalle an und bat ihn um einen Gefallen. Ich besorgte zwei Flaschen wirklich guten Rotwein, eine der bevorzugten Zigarren und bat ihn, dies in Krugs Garderobe zu stellen. Meine CD lag dabei und eine Visitenkarte, auf der ich ihn bat, mir die CD zu signieren, da ich arbeiten müsse und nicht selbst Gast der Veranstaltung sein könne. Ich würde sie mir dann am Empfang im Hotel abholen.

Am nächsten Morgen, ich ging wie immer 2 Stunden vor Öffnung ins Cafe, um alles für den Tag vorzubereiten, rief mich die Hausdame an, ich solle doch kurz mal herüberkommen.

Ich schloß den Durchgang zum Hotel auf und trat an den Empfang. Sie reichte mir meine CD und meinte: “Er sitzt übrigens im Frühstücksraum.” Mein Herz klopfte. Tatsächlich, da saß sie, die Legende, vertieft in eine Unterhaltung mit einem Mann.

“Meinst du, ich kann…” fragte ich meine Freundin und deutete mit einem Achselzucken in Krugs Richtung. “Klar, wenn du lebensmüde bist!” antwortete sie. War ich. Es gab ja nur diese eine Chance. Ich ging in den Frühstücksraum und stellte mich in gebührendem Abstand auf. Als Krug mich irgendwann wahrnahm, nickte ich ihm freundlich zu, während ich mir innerlich fast in die Hosen machte. Ich fragte ihn, ob er, wenn er fertig wäre, einen Moment Zeit hätte.

Er sah mich über seine Brille hinweg an. Sah auf die CD in meiner Hand. Fing an zu lächeln. Er entließ seinen Begleiter mit einer Handbewegung, klopfte auf den frei gewordenen Stuhl und sagte: “Warst du das gestern mit dem Wein? Na dann setz dich mal hin, Mädchen.” Ich machte große Augen, tat aber wie mir geheißen. Er winkte der Bedienung und bestellte ein zusätzliches Gedeck und Kaffee. Für mich. Mein Staunen wuchs von Minute zu Minute.

“Was hast du denn auf dem Herzen?” Ich sagte ihm, ich würde ihm so gern zwei persönliche Fragen stellen, hätte das auch gern gestern getan, aber da wäre ich arbeiten gewesen. “Was machst du denn?” fragte er. Er zündete sich einen seiner Stinkbalken an und lehnte sich zurück. Dann fingen wir an, uns zu unterhalten. Der Kaffee kam und er schenkte mir ein, ganz Gentlemen. Wir unterhielten uns ganze zwei Stunden lang. Wie zwei Leute, die neugierig aufeinander sind und die sich was zu sagen haben. Die Angestellten des Hotels standen staunend am Tresen, als er zwei-, dreimal laut und dröhnend loslachte. Er fuchtelte viel mit den Händen und hatte dieses wirklich charmante Lächeln aufgesetzt. Um Sätze zu unterstreichen, schlug er auf den Tisch und mir einmal sogar auf die Schulter. Ich war ganz erschrocken als ich feststellte, dass ich das Cafe öffnen musste und zwei Stunden um waren.

Ich verabschiedete mich hastig und bedankte mich mit hochroten Wangen für seine Zeit und raste los. Dabei vergaß ich die CD auf seinem Tisch.


Manfred Krug und Uschi Brüning

Veröffentlicht am 23.01.2015: Fernfahrer Franz Meersdonk, Kommissar Paul Stoever, Rechtsanwalt Robert Liebling in diesen Rollen wurde Manfred Krug zum Fernsehstar. Inzwischen liegt sein letzter TV-Auftritt mehr als 10 Jahre zurück, aber jetzt ist Manfred Krug zurück und hat seine alte Liebe im Gepäck: den Jazz. Gemeinsam mit Gesangspartnerin Uschi Brüning erzählte Krug bei 3nach9 von der neuen Platte „Auserwählt“ und von dem, was ihm sonst noch auf der Seele brennt. Freitag, 23. Januar 2015, 3nach9, Radio Bremen Fernsehen

Meine ganze Schicht über schwebte ich wie auf Wolken durch den Laden, hin und her zwischen Gastraum und Küche und vor mich hinsummend. Ich bediente die Gäste, machte Smalltalk und war versöhnt mit dem Schicksal.

Als ich wieder aus der Küche kam, das Tablett voller Speisen, fiel mein Blick auf den Tresen.

Auf unserem Tresen lag ein Gästebuch, in dass sich jeder eintragen konnte, und das mit unzähligen Autogrammkarten und lustigen Sprüchen unserer Gäste gespickt war.

Meine CD lag auf dem aufgeschlagenen Gästebuch.

Ich brachte das Essen an den Tisch und flitzte zum Tresen zurück. Unter der CD lag eine Karte für seine Lesung am nächsten Tag in der nächsten Stadt.

Dieses Gästebuch habe ich noch heute, und als ich von Manne Krugs Tod erfuhr, habe ich es noch einmal zur Hand genommen und nachgesehen, ob auch dieser bedeutsame Tag darin vermerkt war. Da steht im Februar geschrieben: “Danke fürs Frühstück und die nette Unterhaltung. Hier gibt es Herz und Schnauze. M. Krug”

Eben läuft die CD. Mein Lieblingstitel ist bis heute die Nummer 10. Ich singe es mit und lächle und erinnere mich an zwei der schönsten Stunden meines Lebens.

Danke, Manne.

(Wir bedanken uns bei Grit Maroske für diese wunderbaren Gedanken.)

 

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