Zeitgeist: Viel Rauch um Nichts!

3049/15: Positionen: Hausmüll, Bauschutt, Falschbefüllung. Textbrief, Serien, Nichterfüllung. Viel Rauch um Nichts.

Positionen

Zeitgeist: Viel Rauch um Nichts!

Wie funktioniert gute Kommunikation? Aufgabengerechte Abwicklung nach dem Minimaxprinzip? – Antwort: Zunehmend prozessgesteuert, flach und effektiv, aber: Immer nur für den Initiator. Egal wie es beim Empfänger ankommt. Das ist das Gegenteil von ganzheitlichem Denken. Leider.

In Berlin-Friedenau wurde die Hausmülltonne falsch befüllt. Wie sich heute durch Recherche und Telefonate herausstellt, hat ein Hausbewohner seine Wohnung renoviert. Dabei wurde in den Hausmüll geworfen, was überwiegend ganz in Ordnung ist. Wir sind nicht staatlich geprüfte Abfallexperten. Sondern Ottos namens Normalverbraucher. Die Grenzziehung ist mitunter scharf. Sie wird schärfer mit den Jahren, in denen wir uns eine bessere Welt versprechen durch Regulierung und mehr, weil gewissenhaft getrennt wird. Noch gewissenhafter. Soweit zum Zeitgeist der Hausmüllentsorgung.

Was zu beanstanden war, sagt ein Hausbewohner: Es waren ein oder zwei Ytong-Steine. Die BSR sieht hierin eine Falschbefüllung mit Bauschutt und wenn man sich das einmal kritisch zur Brust nimmt, bleibt von dem Vorwurf soviel gar nicht übrig. Im Grunde genommen bis zu zwei Ytong-Steine. Wann liegt eine Falschbefüllung mit Bauschutt vor? Ab eins? Ab zwei? Kann nicht ein (oder zwei) davon Restmüll sein? – Na ja.

Damit sind wir schon im herrlichsten Streit über Rechtsansichten oder anders ausgedrückt: Erstickt von lauter unwesentlichen Gesichtspunkten des täglichen Lebens. Denn wesentlich alleine ist: Wir wollen problemlos leben. Und nicht Probleme hin und her schieben.

Von Bedeutung ist nicht der Routinevorgang, sondern die Art und Weise, wie das Wellen schlägt. Hier sprechen wir wieder vom Zeitgeist, von unternehmerischen Überlegungen und Lösungen, die tragen sollen, aber nicht tragen werden. Weil sie schlicht versanden.

BSR-Schreiben "Falschbefüllung"

Darf nicht fehlen: „Leistungsausfälle auf Grund von falschen Befüllungen der Behälter führen nicht zur Minderung unserer Entgeltforderung.“ (Credo Falschbefüllungsbrief #BSR) – Ganz anderes Thema, gleicher Brief: „Bei der Information der Nutzer über die korrekten Wertstofftrennung unterstützen wir Sie gern mit entgeltfreien Info-Materialien.“ (Themenunschärfe einer notwendigen Mitteilung durch Ausweitung und Verwässerung)

Es gibt dazu den Vordruck eines Textbausteins. Wie das so ist mit Textbausteinen: Sie sollen jeden denkbaren Fall vollumfänglich treffen. Deswegen bewegen sich inzwischen viele Textbausteine an der Verständnis- und Kommunikationsburnout-Grenze der Nichtverständlichkeit. Schauen wir uns das abgebildete Schreiben einmal genauer an.

Die Meldung des Vorgangs wäre sachgerecht so: „1 Stck. Hausmüll nicht entleert, Grund: Bauschutt (2 Ytongsteine) – Punkt. Fertig. (Der Rest des zweiseitigen Schreibens ist unerwünschte Ablenkung vom wesentlichen Gesichtspunkt dieser fragwürdigen Initiative.)

Dass die Abfallentsorgung am 21. Januar nicht geklappt haben will und am 23. April drei Monate später ein Schreiben erforderlich wurde, lässt sich wegdenken. Es wird der 21. April gemeint sein. Das per Naturalpost versendete Schreiben geht an eine Hausverwaltung, die aus beruflichen Gründen viele Grundstücke verwaltet. Wie die BSR, so machen es im Grunde genommen inzwischen alle. Irgendwelche Unternehmensrevisoren regeln Arbeitsabläufe, Workflows, in den großen Unternehmen. Dabei kommen solche Briefe heraus: Aus grundsätzlichen Erwägungen. Das Ziel: Man schreibt, um erfolgreich in Ruhe gelassen zu werden.

Merke: Wenn eins anzusprechen ist, spreche nicht fünf Gesichtspunkte an. Fasse Dich kurz. Sonst wirst Du nicht beachtet. Keine Zeit, Freund. Es gibt Wichtigeres.

Deutlich feststellen lässt sich, dass immer mehr Unternehmen auf Textbausteinbibliotheken gehen. Das Problem dabei: Diese müssen jeden Gesichtspunkt erschlagen, so global als möglich:

1. Den Mangel an sich. Darum geht es. Ist der Mangel kurz, siehe oben, ändert das nichts an der blümeranten Ausdehnung auf weitere, wesentlich erscheinende Gesichtspunkte. Zum Beispiel:
2. Den rechtsrelevanten Hinweis auf eine Vertragsstörung.
3. Die Drohung, sich -bitte- in Zukunft vertragstreu verhalten zu sollen.
4. Einen Anschein von Kundenfreundlichkeit, genannt Tipps & Tricks. Beliebte Redewendung inzwischen: Weitere Infos finden Sie auch …..

Alles in allem kommt selten etwas Treffsicheres heraus. Meist erzeugen solche Sachen Nebel, eine Art Themencloud, ein unerwünschtes Brainstorming, die Ablenkung vom Wesentlichen, kurz SPAM. Also das Gegenteil: Desinformation.

So liegt hier die Sache.

Das wesentliche an dieser fundamentalen Systemkritik ist, dass die Systematik von zu verständnisfernen Problemlösern entwickelt wird. Dass Menschen in Zentralen des Handelns sitzen und darüber nachdenken, wie man Problemfälle effizient löst. Die Zentrale ihres Handelns ist das Büro, ihre Waffe ist die elektronische Tatenverarbeitung: So werden immer mehr Textbausteinmonster kreiert, die kein Mensch mehr versteht. Die Nachricht ist einfach: „Du? Tonne voll falsch voll.“ Das war´s. Dafür gibt´s jetzt eloquentes Brimborium. Schade.

Dem Absender geht es darum, den relevanten Hinweis zu kanalisieren auf eine für ihn angenehme, bequeme Art und Weise. Er ist die Sache los. Nun muss der Empfänger sich den Kopf machen. Was fang ich an mit diesem Brief?

Wir fassen zusammen, um die Sache abzukürzen:
– Im Zeitpunkt des Eintreffens des Briefs war die Angelegenheit selbst längst erledigt. Das hat ein Telefonat mit einem Ortskundigen, einem Hausbewohner ergeben. Dies Schreiben hätte so nie verschickt werden müssen.
– Die erfolgreiche Unternehmenskommunikation der Berliner Stadtreinigung blieb inhaltlich auf der Strecke. Denn als der Brief beim angeblich Kommunikationsempfänger (der Hausverwaltung) eintraf, war er inhaltlich überholt. Ein anderer wacher Hausbewohner hatte die Nichtabholung bemerkt und gehandelt. Entscheidend und von Bedeutung ist, dass die eigentlich notwendigen Kommunikationsempfänger (die Hausbewohner, die sich falsch verhalten haben) von diesem Vorgang mit hoher Wahrscheinlichkeit niemals erfahren werden. Aha.

Alba (Der Grüne Punkt), ein anderer Dienstleister im Bereich Entsorgung: Man hat einen passenden Aufkleber auf dem Wagen parat, der am Ort der Leistungsbehinderung auf die Tonnen geklebt wird. Da steht sinngemäß drauf: Wir haben das nicht abgeholt, weil es unsachgemäß befüllt ist. Man kann noch was draufschreiben: Zum Beispiel „wegen Bauschutt“. Ist das eine großartige Idee? Antwort: Nein, das war früher so, das war früher richtig, wird aber heute von bestimmten Unternehmen so nicht mehr praktiziert. In diesem Fall von der Berliner Stadtreinigung. Sie wird dafür ausschlaggebende Gründe ins Feld führen. Die hat bestimmt auch die Rechtsabteilung geprüft.

Tatortfern agiert Vattenfall, das Stromunternehmen. Wir berichteten eingehend über (automatisierte) Versuche des Stromriesen, die Hausverwaltung abrechnungstechnisch für unaufgeklärt gebliebene Wohnungsstromzähler zahlungspflichtig zu machen. Heute können wir aktualisieren, dass unsere regelmäßigen Beschwerdebriefe und unsere Kontaktaufnahme mit der Pressestelle des Unternehmens zu einer Änderung der Handhabung geführt hat. Sie war nämlich falsch.

Tatortfern die Berliner Wasserbetriebe. „Aus Rechtsgründen“, so heißt es, werde davon Abstand genommen, Wassersperrungen im Haus direkt anzukündigen wie früher. Ansprechpartner sei die Hausverwaltung. Alle, ob Vattenfall, Berliner Wasserbetriebe oder Berliner Müllabfuhr, fokussieren in zunehmendem Maß die Hausverwaltung für die ortsnahen Aufgabenerledigungen. Die Hausverwaltung muss reagieren, ob sie will oder nicht. Sie wird zum Hilfssheriff, der verantwortlich ist, solche Maßnahmen fremder Unternehmen rechtzeitig den Hausbewohnern gegenüber zu kommunizieren.

Dies nennen wir den Zeitgeist.

Fazit:
Derartige Briefe, mit denen konkret vom Erforderlichen abgelenkt wird, weil die Informationen die Hausbewohner nicht (mehr) direkt erreichen, wirken wie Wattepackungen in puncto Unzuverlässigkeit. Der Hausverwaltung ist es nicht möglich, die Information schnell umzuschlagen, sie umzuverteilen an den richtigen Ort, die Wohnanlage. Es tut Hausbewohnern weh, wenn Hausmülltonnen nicht rechtzeitig geleert werden. Ein Unding.

Höchste Zeit, über solche Gesichtspunkte einmal intensiver nachzudenken.

Dass es wieder einen anderen Zeitgeist gibt. Offene Direktheit. Brüllen, dass sich was ändert.

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