Verfahrensbericht: Eine ‚Contrahage‘ wegen Wohngeld…

Was bitte ist eine ‚Contrahage‚? Nachfolgend wird so eine im Prinzip erläutert.

Zeit für einen (weiteren) Verfahrensbericht aus der Dunkelkammer des Wohnungseigentumsrechts. Ein Verfahrensbericht ist auch ein Bericht über ein verfahrenes Verfahren. – Ein jüngerer Rechtsanwalt hat einen erheblich älteren Mandanten. Wir vermuten ‚Beratungsresistenz‘ des Älteren von beiden. Der jungsche Advokat mag talentiert sein auf anderen Gebieten. Nicht jeder Rechtsanwalt versteht auch was von Wohnungseigentum. Das ist eine andere Baustelle. Die Spruchkammer des Berliner ‚Amtsgerichts Irgendwo‘ hat so einen jüngeren Anwalt heute am Schlafittchen.

Ein Mandant ist ein Mandant und der bringt Penunse, Mücken, Flöhe, Kohle, kurz: Anwaltshonorar. Für Anwälte muss es auch auf eine ‚auskömmliche Gesamtbetrachtung‘ des Mandanten ankommen. Und wenn der Mandant schlicht verrückt ist, heißt das noch lange nicht, dass er nicht eine erquickliche, sprudelnde Geldquelle sein kann. Was soll’s?

Der jungsche Rechtsanwalt klagt jetzt namens seines Mandanten auf Unterlassung der Nutzung von im Untergeschoß befindlichen Kellerräumen als ‚Büro mit intensiver Nutzung‘ durch den Beklagten. In der Teilungserklärung der (kleinen) Wohnanlage befindet sich (aber) diese Regelung. Das stößt irgendwie sauer auf. Alle jetzigen und alle künftigen Wohnungseigentümer, so die entsprechende Klausel, erteilen schon jetzt ihre Zustimmung zu einer derartigen Nutzung. Fest steht auch, dass von irgendwelchen Bedingungen für eine derartige Zustimmung nichts ausgeführt ist. Jetzt werden Bedingungen aufgefahren, sogar gerichtlich. Es geht zur Sache…

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Wenn der Beklagte für seine Untergeschoß-Räumlichkeiten kein Wohngeld zahlt, soll er die Büronutzung beenden, am besten unverzüglich. Sagt der Kläger. In der Teilungserklärung der Anlage steht das (aber) nicht. ‚Moment‘, wendet der Amtsrichter ein, ‚hier geht es nicht um Wohngeldzahlung. Gefordert wird Unterlassung.‘ Was genau stört bei der Büronutzung? ‚Ja, das kein Wohngeld gezahlt wird‘, sagt der Kläger. Dass der kein Wohngeld fürs Untergeschoß bezahlt, das sei schließlich jahrelang bekannt, sagt der jungsche Rechtsanwalt ungeduldig und sichtlich genervt, er will es nun nicht noch ein weiteres Mal erläutern müssen. Es gilt Vortragspflicht und die Zivilprozessordnung verlangt von den Parteien ein (konkretes) Vorbringen, auf dessen Inhalt sich das Gericht stützt. Stützen muss, seit neuestem. Mit der Reform des WEG ist die ZPO für WEG-Verfahren maßgeblich.

Kenner hoffen auf eine konsequente Linie der Gerichte. Sie machen geltend, dass Querulanten irgendwelchen Unsinn jedenfalls nicht dazu benützen können, fehlerhafte Klageanträge durchzusetzen. Amtshilfe von Amtsrichtern: das ist Vergangenheit. Die freundliche ‚Laberebene‘ aus den Zeiten des Amtsermittlungsgrundsatzes sei jetzt vorbei und künftig würden sich Richter allein auf die vorgebrachten Argumente der Parteien stützen (müssen). Der Klageantrag selbst bleibe ab sofort im Fokus des Gerichts und ufere nicht aus zu überraschenden Wendungen in solchen Verfahren, in denen Kläger schlicht die falschen Anträge stellen. Ganz klar: Wer jetzt falsche Anträge ans Gericht stellt, dem werden diese einfach insgesamt ab- bzw. zurückgewiesen. Fachleute vermuteten eine erhebliche Beschleunigung der oft langwierigen Verfahren. Doch was, wenn der ‚ältere Mandant‘ auf seinen jüngeren Rechtsanwalt nicht hört?

Der Kläger sagt noch was von ‚Betrüger‚, und das der ja kein Wohngeld zahlt, der Beklagte.

Blick in die Vergangenheit

Der das Haus in Wohnungseigentum teilende Alleineigentümer, konzipierte seine Teilungserklärung nach einem Textgerüst mit streng wohnungswirtschaftlichem Background. In der Frage, wie man künftig die laufenden Kosten des Hauses abzurechnen habe (Wohngeld auf Grundlage von Wirtschaftsplan und Abrechnung), entschied er sich für eine übliche, in ganz Deutschland weit verbreitete Regelung. Mit den Kosten des Betriebs der Wohnanlage, Instandhaltungskosten und Sonstigen Aufwendungen würden diejenigen Einheiten belastet, die eine DIN-Wohnfläche aufweisen. Der Verteilungsschlüssel sei folglich die ‚Wohnfläche‘ der Einheiten. Diejenigen Einheiten, welche zwar eine Nutzfläche, aber keine Wohnfläche haben, seien von der Kostenanlastung im Rahmen von Wohngeldabrechnungen daher freigestellt. Das sind in der Anlage mehrere Einheiten in unterschiedlichen Eigentumsformen.

Verteilungsgrundsatz DIN-Wohnfläche und Ausnahmen hiervon im Sinne des Gleichbehandlungsgrundsatzes

Eine Waschküche im Untergeschoss ist als Sondernutzungsrecht (unentgeltlich) zugeordnet. Ein weiterer gemauerter Kellerraum mit eigener Beheizung und Steckdosen zum Betrieb eines Weinkühlschranks ist den Klägern in dieser Angelegenheit als Sondernutzungsrecht (unentgeltlich) zugewiesen. Zwei Garagen-Einstellplätze im Untergeschoß sind unentgeltlich zu nutzen, ebenso wie die weitere und hier streitgegenständliche Teileigentumseinheit eines Hobbykellers/Umwidmung als Büro zulässig, wie hier Verfahrensgegenstand. Insofern sind alle Einheiten gleich behandelt, die im Untergeschoss gelegen sind und aus bauordnungsrechtlichen Gründen ähnliche Bedingungen aufweisen.

Ausgangspunkt bei Bildung des Wohnungseigentums (ca. 1998) waren die Bestimmungen der II. BerechnungsVO, die inzwischen abgeschafft ist. 2003 erfolgte eine inhaltlich nicht ungewöhnliche Fortsetzung durch eine (neue) Rechtsnorm: Derartige Räume könnten sogar zu Wohnzwecken ausgebaut sein. Sind diese aber im Sinne der Bauordnung Berlin keine Aufenthaltsräume im Sinne des § 48 BauOBln, so darf die ermittelte Fläche nicht als Wohnfläche ausgewiesen werden. Dies regelt § 2, Abs. 3.2 der Wohnflächenverordnung. Kein ‚Betrug‘ also und bis dahin nur ‚wohnungswirtschaftlicher Mainstream‘, 1998 wie 2003 in Gesetz- und Verordnungsbedingungen leicht für jedermann auffindbar.

Der Richter veranstaltet Ratespiele. Die Parteien sind zerstritten und der Kläger muss sich einen ganzen Reigen richterlicher Fragen und Aufklärungsersuchen gefallen lassen. Er hat zu viele Rechtsanwälte, immer zwei verschiedene Büros im unabsehbaren Wechsel. Seit Jahren schon verpulvert ‚der Mandant‘ Anwaltshonorare in locker fünfstelliger Höhe, und doch bekommt er sein Ziel nicht durchgesetzt. In seinem Hauptsachenantrag (heute) steht nichts davon, dass der Beklagte (endlich) Wohngeld zu zahlen habe. Sind Anwälte auch schadenersatzpflichtig, wenn sie die falschen Anträge ins Feld führen?

Hat der eine Rechtsanwalt es ihm ausgeredet, und  hat ‚der äußerst schwierige Mandant‘ dann seinen Anwalt einfach schnell ausgewechselt? Der (jüngere) Anwalt hat sich gefreut. Er denkt an eine interessante Gesamt-Geschäftsverbindung. ‚Der Alte‘ ist ein guter Mandant. ‚Wenn ein Anwalt nichts weiß, schreibt er Sch….. .‘, sagen die Betroffenen. Er schreibt (auch) beleidigenden, unsachlichen Unsinn über den Sohn des Beklagten, der am Verfahren gar nicht beteiligt ist. Die Kernfrage des Amtsrichters heute lautet doch immer: ‚Was willst Du eigentlich bezwecken (mit Deiner Klage)?‘

Das Gericht klärt den jungen, unverschämten Stoff vortragenden Rechtsanwalt auf, dass der hier geltend gemachte Klagegegenstand das Ziel nicht offenlege, sondern anstatt Wohngeldbelastung die Unterlassung weiterer Nutzung, also einen Nebenkriegsschauplatz, verlange. Der Rechtsanwalt des Beklagten rügt die Gesamtlage:

Offenkundig sind Hintergrund oder Anlass Animositäten und ggf. eine persönliche Contrahage zwischen dem Kläger und Herrn Schulz (* Name geändert), dem Sohn des Beklagten zu I , sowie Ehemann der Eigentümerin der Wohnungseigentumseinheit 5 und 6 (* Nummern verändert).

Wie eine Contrahage üblicherweise vonstatten geht, können wir jetzt erstmals vom Schauspieler Jan-Josef Liefers (siehe Video) erfahren. Eine derartige Contrahage ist zwischen den Parteien angelegt und auch mit dämlichen Auswüchsen angelegt. Es ist eine Contrahage mit stumpfem Schwert. Der Beklagte zahlt kein Wohngeld, und das ist nach der Teilungserklärung auch so geregelt. Dass aber Contrahagen nach einem sehr strikten, festen Reglement geführt zu haben werden, das ist schließlich neu und bildet die Verfahrensbeteiligten (wenn auch unbeabsichtigt) im Schwerterstreit maßgeblich fort.

Die ganze Sache funktioniert jedenfalls heute vor diesem Gericht überhaupt nicht so, wie ’seine Majestät‘, der Kläger, wünscht. Das versteht er gar nicht. Er will die Contrahage führen, wie er sie immer geführt hätte. Am Ende soll einer von beiden einen Schmiss im Gesicht tragen, und wenn er’s selber ist, dann wäre das ein Ehrenmal, eine soldatische Verletzung. Wir sind wieder ganz am Anfang dieser Geschichte: Ein Rechtsanwalt muss seinem Mandanten etwas zuraten, und das muss irgendwie Hand und Fuß haben. ‚Seine Majestät‘ lässt sich von niemandem reinreden und führt sein stumpfes Schwert.

Im Ergebnis bleibt festzuhalten: den Parteien wird demnächst eine Entscheidung zugestellt. Die Entscheidung des Gerichts kann eigentlich unter diesen Vorzeichen nicht antragsgemäß ausfallen.