1994/14: Alltag: Von Fraßstationen, Tilgungsbescheinigungen, Pasta al dente und Rattenkragen! Die Rechnungsprüfung.

Alltag

Banner Schädlingsbekämpfung - Ratte sich, wer kann!

Die veröffentliche Rechnungsprüfungs-Besprechung in Textform.

Einen Moment unaufmerksam beim Verschlagworten dieses Artikels: Aus Berlin & seine Bezirke wird unaufmerksam „Berlin & seine Probleme“. Eine Art freudsche Glanzleistung meinerseits.

Den Ratten in Berlin-Kreuzberg ging es an den Kragen. Auf dem Hof des Mehrfamilienhauses sind nun Befälle nicht mehr feststellbar. Es gab eine Art Luxusphase, die hintertücksch gewählt war: Es wurden Rattenköderstationen aufgestellt.

Rattenkoederstation

(Auszug Handwerkerrechnung)

In allen Geschichtchen des Lebens sind jene von besonderer Schönheit, an deren Schwanz man zu ziehen in der Lage ist. Denn das Ziehen weckt nun mal eine gewisse Aufmerksamkeit.

Wie ein Werbeslogan liest sich der Rechnungstext. Was dahinter steckt, nennt sich Warenwirtschaftsprogramm. Im Grunde könnte hier auch stehen: Rattengift, extrem giftig, mit vernichtender Durchschlagskraft. Das wäre wohl zu ehrlich.

So verspricht uns der Rechnungstext „höchste Attraktivität und schnelle Köderaufnahme“, für Kinder aber gilt: Bitte den Ratten nicht nachmachen. Sonst wird´s eng für die Gesundheit, Herzilein.

Anderer Gedanke.

Die Speisekarte für unsere Ratten trug einen Hauch italienisch in sich, es gab Pasta.

Murin dife Pasta

(Auszug Handwerkerrechnung)

Murin dife pasta – Keine Tagliatelle Verde, sondern hochgiftig, wie das Datenblatt zeigt, Zitat: „Rodentizide Köderformulierung für den professionellen Einsatz und Hausgebrauch“

Mit Bärlauch-Tartufo? Oder ohne. Klingt irgendwie lecker.

Ist aber tödlich. Leider.

Sind nicht auch Blogs immer mit so einem widerlichen Teaser behaftet, einem Einleitungsteil, in dem etwas ganz besonders lesenswertes steht, warum ein Artikel überhaupt gelesen werden soll? Ist das auch eine Köderformulierung?

Und dann der amtliche Teil der Rechnung. Im Anhang befindet sich eine „Bescheinigung gemäß § 4 Schädling VO über den Abschluss von Rattenbekämpfungsmaßnahmen“. Diese Bescheinigung nennen die Schädlingsbekämpfer eine Tilgungsbescheinigung.

In uns wird der Kontext nun vollends deutlich. Es handelt sich um getilgtes, gelöschtes, ja ausgelöschtes Leben und darüber wird in Deutschland eine Bescheinigung erstellt. Diese wird der Rechnung angehängt und ist dem zuständigen Gesundheitsamt einzureichen.

Ob das Gesundheitsamt davon wusste? Nein, es wusste von der Maßnahme nicht. Sie ging zurück auf einen Mieter, der im Hof eine fette Ratte gesichtet haben will. Die Hausverwaltung hat auch nicht zurückgefragt, ob er damit den Nachbarn meinte oder ein widerliches Nagetier mit geringeltem Schwanz und „Rattenschwanzproblemen“ der Art, wie wir sie hier schon anderweitig dargestellt hatten.

In Berlin-Wilmersdorf haben wir kürzlich Rattenkragen eingebaut, das sind edelstahl-angefertigte Rohrzwischenstücke, die das Durchsteigen von Ratten im Abwassersystem verhindern, weil die Tiere im Rohrstück plötzlich keinen Halt finden. Sie rutschen immer wieder nach unten.

Rattengift - behördliches Kauderwelsch

Das erscheint uns human.

Mit der Tilgungsbescheinigung allerdings haben wir auch ein Kopfproblem. Wir mögen das deutsche Bescheinigungswesen nicht sonderlich und verabscheuen die Idee, man müsse den Vollzug in Todeslisten wirksam verbürokratisieren.

Ohne eine solche Bescheinigung funktioniert die Welt eher besser als schlechter, denken wir, während wir wissen: Diese Frage wird heute nicht mehr von alltagsentscheidender Bedeutung sein. Wenn wir nur aufpassen, so wird sie es auch niemals mehr.

Das ist allerdings ein ganz entscheidender Gedanke.

Bleibt uns noch, dem Leser die Suche nach dem längsten Rattenschwanz hier vorzuschlagen… – au weia…

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