Unnützes Wissen: Rasen betreten verboten!

1868/13: Positionen: Vom „müssen“

Positionen

Der.Baum.der.Hoffnung

Ich habe ein Recht auf einen konstanten Meeresspiegel. (Rainald Grebe in „Böses CO2“, CD „Zurück zur Natur“)

Von Richard Gleim, Düsseldorf (Gastbeitrag)

Wir sind von Handlungsanweisungen umzingelt. Das ist mitunter aberwitzig. Nehmen wir als Beispiel den Garten. Das Thema trifft mitten in ein Gebiet, wo mangelnde Kenntnis besonders ausgeprägt ist. Dort haben Handlungsanweisungen auch im Befehlston besonders gute Chancen, ernst genommen und befolgt zu werden.

„Sie müssen wöchentlich den Rasen schneiden!“, tönt es aus allen Rohren. Das ist natürlich Humbug. Man muss gar nichts. Was passiert denn in der Wildnis? Die Wildnis kennt keine Rasenmäher. Allerdings gäbe es in der Gegend, in der ich das schreibe, auch keine Grasflächen sondern dichten Wald.

Unnützes Wissen: Rasen betreten verboten!

Unnützes Wissen: Rasen betreten verboten!

Ist man so bescheuert, in der Tradition alter Fürstenherrlichkeit auch einen Rasen pflegen zu wollen, sollte man es sich leisten, dem entsprechend Personal zu halten und zu bezahlen. Dann kann man despotengleich ein ‚Muss’ aussprechen. Man kann aber auch, will man nicht nur auf Bäume und Sträucher gucken eine Wiese gedeihen lassen oder sogar eine Blumenwiese. Die einfach wachsen zu lassen und zu sehen, was sich da ansiedelt, blüht und gedeiht, ohne dass man großartig eingreift, ist einfach spannend. Das erreicht ein auf einen grünen Anstrich reduzierter Rasen, die langweiligste und unterste Stufe der gärtnerischen Möglichkeiten, nie.

So eine Wiese macht es jeden Tag lohnend, raus in den Garten zu gehen und nicht nur Gräser und Blumen sondern auch schwirrende und laufende Insekten, Käfer, Vögel, Spitzmäuse, Raupen und Würmer und Schmetterlinge zu erleben. Da muss nicht gedüngt und nicht gegossen werden. Gerade an trockenen Stellen siedeln sich die buntesten Blumen an. Die einjährigen Pflanzen, solche, die sich jede Jahr neu aussähen, gedeihen gerade an trockenen Stellen, sind sie doch Steppenbewohner. Was dort an Leben in den Garten einzieht, ist der Betrachtung wert und unterhaltsam ist es auch.

Richard Gleim, Düsseldorf (Privatarchiv)

Richard Gleim, Düsseldorf (Privatarchiv)

Keiner von uns muss den Anweisungen der als Ratgeber getarnten kleinen Despoten im Fernsehen, im Radio, in Zeitungen, in Magazinen und in Büchern folgen. Dies umso weniger, als diese nicht selten der verlängerte Arm der Gerätehersteller und Chemiewichtel sind.

„Bäume und Sträucher muss man schneiden.“ Muss man nicht. Die Wildnis kennt keine Sägen und keine Scheren. Da gibt es Rehe, die Pflanzenspitzen fressen und schon mal die Rinde junger Bäume und Sträucher abschälen, Bären, die sich an der Rinde scheuern und diese auch schon mal abkratzen und verletzen, Biber, die Bäume fällen. Solches geschieht jedoch nicht, um die Pflanzen zu pflegen sondern gilt der Ernährung und dem Bau von Unterkünften. Und doch gedeiht die Wildnis prächtig. Wenn es heute zu übermäßigem Wildverbiss in den Wäldern kommt, hängt das u.a. damit zusammen, dass wir zu einer bestimmten Zeit meinten, die Wölfe, Luchse und Bären, viele Greifvögel usw. ausrotten zu müssen. Unsere Wälder sind eben keine Wildnis sondern Artefakte bis hin zu Fichtenplantagen zum Nutzen Weniger.

„Man muss die Obstbäume so oder so schneiden.“ Ja, wenn man eine Obstplantage bewirtschaftet und man einen hohen Quadratmeterertrag bestimmter Qualitäten erzielen will, dann empfiehlt es sich, diese Bäume oder Sträucher in gewisser Weise zu beschneiden. Man muss keine Obstbäume anpflanzen und wenn, dann muss man nicht das Spindelobst, jene Bäumchen, die nicht ohne Stütze stehen können, deren Leben so kurz ist, weil das Zusammenspiel von Unterlage und Edelreis gerade noch reicht, dass überhaupt etwas wächst aber vor allem dazu dient, das Bäumchen schnell zu vergreisen, so dass es schon im zweiten Jahr trägt. Solche Bäumchen muss man dann tatsächlich zurechtstutzen, weil ansonsten der Apfel an den schwachen aber etwas zu langen Ästchen, dieses abbrechen lässt.

Man muss den Rasen in bestimmten Abständen vertikutieren. Oh ja. Das muss man, will man so ein herrlich verschrobenes Wort von leichter Hand und wichtigtuerisch über die Zunge rollen lassen, in der Auffassung, damit seine tumben Nachbarn beeindrucken zu können. (oder zu müssen?)

Will man einen Golfplatz anlegen, dann ergeben sich in der Tat Notwendigkeiten der Rasenpflege, die, folgt man dem Willen, ein Muss darstellen. Ausschlaggebend ist jedoch der Wille und nicht das Müssen.

Der Gipfel der Vorschriften wird in Kleingärten erreicht. Es gibt sogar, wir befinden uns in Deutschland, ein Kleingartengesetz.

Bei den von den Medien vermittelten Anweisungen handelt sich aber fast ausnahmslos um Anweisungen, die einen nebulösen Willen, der nie erörtert wird, voraussetzen. Dort heißt es eben nicht, wenn Sie das und das wollen, empfiehlt es sich, das und das zu tun, dem dann eine Begründung folgt. Hier wird ein meist rigider Wille als Allgemeinplatz vorausgesetzt.

Man muss Rosen im Herbst stutzen und im Frühjahr bei beginnendem Austrieb auf 5 oder 7 Augen zurückschneiden. So ein Blödsinn. Warum soll meine Rose nicht tausend Jahre während einfach nur wachsen und einen prächtigen Busch oder sogar Baum bilden? Warum soll ich nicht heute eine Rose pflanzen, so ich will, und mir voller Spannung ansehen, was für ein struppiges oder großartiges Gebilde in 50 Jahren daraus geworden ist?

Böses CO2 – Rainald Grebe & die Kapelle der Versöhnung (aus CD „Zurück zur Natur“)

Das seien nur ein paar wenige Beispiele dafür, wie wir nahezu sekündlich belehrt werden und das auf eine geradezu ungeheuerliche, nämlich im Befehlston gehaltene Weise.
Da ist es kein weiter Weg hin zu einer Anweisung, ich müsse die CDU, die SPD, Die FDP, die Grünen oder Violetten wählen. Ich kann z.B. die CDU wählen, wenn ich von mangelndem Datenschutz profitiere, wenn ich es richtig finde, dass meine Interessen oder mein Anwesen oder was auch immer von einer Armee im Inneren geschützt sein müssten. Solche Sachen. Wenn ich das meine, empfehlen sich Merkel, Schäuble, von der Leyen und Co.

Da ich das Alles aber nicht will und es mir in erster Linie darauf ankommt, dass ich atmen kann, ich möglichst viel Freiheit = Verantwortung genießen kann und meine Daten eben nicht Profiteuren in die Hände fallen und mir Demokratie etwas wert ist und die despotischen Tendenzen einer Frau Merkel verhasst sind, werde ich die Piraten wählen.

Andere haben da ganz andere Vorstellungen und wählen eben Parteien und Personen, von denen sie etwas ganz Anderes erwarten. Jedem sein Wille. Doch meist wählt der gepeinigte Bürger ein, so meint er, kleineres Übel. Viele sind halt mit sehr wenig zufrieden. Das ist auch eine Tugend, sagt man.

Die Welt dreht sich weiter und die Gravitation hält uns fest am Boden. Apropos Boden. Auf den sollten wir achten, meine ich mal als alter Gärtner. In terra radices.

Weblotse

(Richard Gleim, Düsseldorf, ist ein feinsinniger Mann mit präziser Beobachtungsgabe und einem „fotografischen Gedächtnis“. Sein sehr lesenswertes Blog heißt „gnogongo.de„.)

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