1810/13: Positionen: Klare Korrespondenz, einfachstes Auftragsrecht und die Folgen von Globalisierung der Sprache

Positionen

Indem sich die Menschen organisieren, um ihre eigenen Probleme zu lösen, legen sie Standardtexte an, die die Arbeit erledigen sollen, die ihnen zu viel geworden ist. Das Ergebnis sind von den Einzelfällen losgelöste Texte. Diese erschlagen gleich alle Fliegen, die zutreffen könnten. Aber nicht mehr den konkreten Einzelfall. Das ist das Problem. Man will sich derartiges nicht mehr durchlesen.

Klar kennst du das, Leser dieses Artikels.

Du willst einen einfachen Lebenssachverhalt bewerkstelligen und gerätst in eine Mühle gefährlicher Missverständnisse und Verstrickungen in tiefsten Abgründen von Sachbearbeitung.

Diejenigen, die Aufträge entgegen nehmen oder welche absenden, sind gemeint. Sie möchten Gestaltungsvorteile herausschlagen, eine Sache auf eine vermeintliche einzig richtige, federführende Art und Weise auf den Weg bringen.


Rhabarbern

Die Weiterleitung eine Chatgesprächs per Email an einen Dritten ist Spam

So wie der Wohnungseigentümer, der vor längerem einen Wasserschaden hatte. Was genau für einen, sagt er allerdings nicht. Er parliert per Email mit dem einstigen (Vor)Verwalter der Wohnanlage. Es geht um dies und das.

An irgendeiner Stelle des Mailpingpongs wird ihm klar: jetzt muss der neue Verwalter ins Boot. Beide -Vorverwalter und er- haben eine Zeit lang „gechattet“ übers Leben, es ging am Rande auch um den Wasserschaden. Beide wussten, was sie gemeinsam teilen. Die Erinnerung an etwas Altbekanntes.

In dem Moment, als sich der Eigentümer entscheidet, auf den neuen Verwalter umzuswitchen, verfährt er nun einfach so: Er leitet die wolkige Emailkorrespondenz an den neuen Verwalter weiter (mit „Weiterleiten“) und bittet diesen um Stellungnahme.

Ein kursorischer, kritischer Gesamtblick beim neuen Verwalter sagt: „Ich kann hier gar nicht erkennen, worum es in dieser Sache im Kern geht.“ Er schickt die unzutreffende Korrespondenzkopie zurück und stellt zwei, drei aufklärerische Fragen. Wenige Minuten später schickt der Eigentümer die Email wieder zurück, und er bittet doch tatsächlich, weiter unten dazu zu lesen.

Da steht aber die Antwort auf die Fragen nicht drin. Nur andere Sachen stehen da.

Wir sehen: Solche Korrespondenz erfüllt nicht das Erfordernis, einen Sachverhalt klar und präzise zu umreißen und zu sagen, was genau der Empfänger der Nachricht zu prüfen hätte. Sehr unangenehm.

Im Fall der Berliner Wasserbetriebe wird gestern folgendes klar. Es gibt in Berlin-Kreuzberg ein Eckhaus mit zwei Frischwasseruhren-Anschlüssen, wovon der Hausverwalter einen endgültig außer Betrieb zu nehmen gedenkt, um künftig Gebühren zu sparen. Die Konditionen sind telefonisch umfassend erörtert worden, alles ist gesagt worden und am Ende gibt es einen Auftrag per Email, der das ganze Vorhaben auf der Basis der besprochenen Konditionen klar umreißt.

Gegen den Versuch der Berliner Wasserbetriebe, den Vorgang zu normen, widersetzt sich der Hausverwalter. Nein, ich will keine Texte downloaden, Formulare ausfüllen, in die Wohnanlage fahren und die Anzahl von Wasserzapfstellen nachzählen. Alles „bullshit“. Ich will einen Auftrag erteilen, ohne Wenn und Aber.

Gestern geht das auch so durch. Der Hausverwalter hat sich erfolgreich dagegen zur Wehr gesetzt. Er hat noch extra in den Auftrag reingeschrieben: Nein, wir wollen auch kein Angebot in Textform mehr haben, wenn wir bestätigen ja in Form der Erteilung des Auftrags bereits, was Sie uns nur noch einmal zusätzlich anbieten möchten. Ein Auftrag ist doch eine Schaukelung von xbeliebig vielen Pingpongen, um am Ende eventuell einen Auftrag zu schreiben. Viel zu umständlich.

Heute Morgen in aller Herrgottsfrühe haben die Berliner Wasserbetriebe aber schon wieder nachgedacht. Sie schicken jetzt den Standardformbrief „Vorübergehende Stilllegung eines Wasserzählers“. Was folgt ist im Wesentlichen „Textrhabarber“, der den gestern betreffenden Auftrag eben nicht abbildet und bestätigt, sondern zusätzlichen Zinnober einführt. Wie z.B. den, dass nach 6 Monaten vorübergehender Sperrung eine Entkeimung des Wasseranschlusses erfolgen müsse.

Das alles will der Hausverwalter gar nicht wissen, hat es nie bestellt. Und fragt sich allen Ernstes, warum jeder glasklare Vorgang von nicht genügend mitdenkenden anderen Menschen nicht in den gottgegebenen Grenzen gelassen wird, sondern nachträglich wieder zusätzlich aufgeplustert wird. Ja, jeder hat seine Art Vorgänge zu lösen.

Die beste Art aber ist, Vorgänge punktgenau und präzise zu lösen. Ohne jeden Rhabarber.

Wir schreiben:

(Anfang Zitat)

Guten Tag, Herr Hoffmann! (* Name geändert)

Ich bin -muss ich gestehen- zunehmend genervt davon, dass Schriftverkehr von (größeren) Unternehmen in Textbausteinform daher kommt und klare Lebenssachverhalte nicht mehr trifft.

Um das zu vermeiden, hatte ich gestern einen eindeutigen, auf den Sachverhalt abgestimmten Auftrag erteilt. Diesen hatte ich zuvor mit Herrn Stöber (*) abgesprochen. Alle Komponenten waren klar und unmissverständlich auf der schriftl. Ebene niedergelegt.

Ihr Formschreiben verwässert den klaren Sachverhalt wieder. Erstens muss ich lauter weitere Ausführungen lesen, die den Sachverhalt eben nicht treffen. Ich will nichts vorübergehend lösen, sondern ich habe gestern alles endgültig gelöst, was zu lösen geplant war. Ich will mich nicht der Gefahr aussetzen, dass auf einer rein schriftlichen Ebene etwas ausgeführt ist, das Sie nun veranlasst, ohne mit mir gesprochen zu haben, bspw. in sechs Monaten eine Wiedervorlage mit weiteren, ebenfalls nervigen Rückfragen auszulösen. Denn das hätte ich ja dann nicht klar gesagt.

Nein, wir brauchen den Anhang von Ihnen nicht mehr. Wir sind endgültig damit einverstanden, so zu verfahren, wie wir es gestern endgültig festgelegt haben. Das war´s auch schon.

Und so nervig war es ja auch gestern schon im ersten Entwurf. Wir sollten uns wieder was downloaden, was ausfüllen, in Wohnanlagen fahren, etwas prüfen, Anschlüsse zählen, brumm brumm brumm. Genau dagegen wehren wir uns: Wir wollen nicht „Rhabarber“, wenn wir einfaches Apfelkompott bestellen wollten. Es gilt einfachstes Auftragsrecht.

Wenn Ihr Lückenschluss lediglich nur noch sein sollte, dass Sie beabsichtigen, rund 100,- EUR für die endgültige Stilllegung des weitere Hauptwasseranschlusses zu berappen, bitte schön: Damit sind wir dann auch jetzt, nach ungefährer Kenntnis Ihres Schreibens, ausdrücklich namens und in Vollmacht unserer Auftraggeber einverstanden.

Mehr muss gerade nicht zusätzl. schriftlich niedergelegt werden.

(Ende Zitat)

Mehr wollten wir im Grunde genommen gar nicht sagen. Manchmal muss man ein bisschen ausholen, um jemandem anderen deutlich zu machen: Das war´s auch schon, was ich zu sagen hätte. Hör doch mal zu.

(EP)

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