1641/12: Positionen: Von einem „Einheitlichen Ansprechpartner“ ist Berlin noch weit entfernt, aber der gute Wille ist zu sehen

Da lachen ja die Hühner

Da lachen ja die Hühner

Berlin hat gute Vorsätze, das ist unbestritten.

Einer davon heißt schon seit mehr als zwanzig Jahren „Verwaltung vereinfachen“, verschlanken, reorganisieren. Das war schon lustig, wenn man früher Post vom Rathaus bekam. Die Briefumschläge hatten eine Corporate Identity wie nichts anderes: auf den Frankaturen aus blauer Tinte entnahm der Bürger das Verwaltungsziel von Berlin. Es hieß „Unternehmen Berlin“. Hahahaha….von wegen. Unternehmerisch denkt Berlins Verwaltung mitnichten.

Es ist zum Haare raufen. Beispiel: Ein Firmenumzug. Sängerisch Begabte können ein Lied davon singen. Es gibt lauter Laufereien und Dinge, die zu erledigen angeblich unglaublich wichtig ist.

Zuviel gelacht: Das Huhn hat ausgelacht!

Zuviel gelacht: Das Huhn hat ausgelacht!

Beispiel Finanzamt: Es schickt den GmbH-Geschäftsführern wichtige Vordrucke, die sich „Ort der Geschäftsleitung“ nennen und unbedingt ausgefüllt werden müssen. Von „elektronisch ausfüllen“ via Mausklick und Internetformular keine Spur. Pustekuchen. Altbackene Altpapier-Recycling-Formulare, alles politisch korrekt. Wozu denn dieser dämliche Fragebogen. Gesellschaften zeigen ihre Sitzverlegung beim Registergericht an. Das ist der „gesetzlich dokumentierte Wille“ der Geschäftsführung: Wir verlegen unseren Sitz von Kreuzberg nach Wilmersdorf (Beispiel).

Beispiel Wirtschaftsamt: Auch das Wirtschaftsamt verschickt wichtige, kleinzeilige gelbfarbene Vordrucke, die komplett überflüssig sind. Denn wie oben schon ausgeführt, ist eine Registergerichtsanzeige doch eigentlich ausreichend.

Wenn nur die rechte Hand wüsste, was die linke…..Unternehmen Berlin. Hahahaha….da beäumeln sich die Hühner, weil sie nicht lachen dürfen. Ziviler Gehorsam.

Natürlich bekommt, wer das zur Sprache bringt und sagt, es wäre überflüssig, auch Bußgelder angedroht. Zwangsgelder zur Durchsetzung. Die fettleibige, fettwanstige Verwaltung ertrinkt in ihrer Selbstgerechtigkeit. Doch weit gefehlt.

In Wirklichkeit gibt es längst politisch gewollte, zuversichtliche Vorhaben, den Gewerbetreibenden diesen ganzen „verwaltungstechnischen Nippelkram“ vom Hals zu halten. Denn Gewerbetreibende wollen arbeiten, arbeiten, arbeiten. Sie wollen nicht verwalten, verwalten, verwalten. Da verdienen sie nämlich nichts. Die Verwaltung aber mauert, ist unfreundlich, bockbeinig und obendrein noch schlecht geschult, pardon gelaunt.

Die Nachfrage beim Wirtschaftsamt bringt nichts zutage. Zwei Berliner Abgeordnete von CDU und SPD werden daraufhin angesprochen. Sie bestätigen, im Prinzip stimmt diese Art der Beschwerdeführung über unnötige Gänge zur Verwaltung und lästige Doppelarbeiten. Nach einigen Recherchen hat die wissenschaftliche Mitarbeiterin eines SPD-Abgeordneten eine sehr hilfreiche Hinweisung zur Hand: Es gäbe seit kurzem den „Einheitlichen Ansprechpartner“, ein Einloggbereich auf berlin.de, der Website von Berlin. Die Kontrolle bringt zutage: Da gibt es tatsächlich ein ganz sinnvoll ausgedachtes Portal, das dem Anspruch des Berichterstatters in bemühter Art und Weise huldigt. Gut so.

Prima.

Also: Account anlegen, also Zugangsdaten und nun los. Zwei Vorgänge testweise durchgearbeitet. In Kurzform:

– Das Wirtschaftsamt hat die Gewerbeummeldung nun erhalten, wenn auch der Sinn doppelter Meldungen (siehe oben) ganz massiv bestritten wird. Da es nicht von der verwaltenden Beamtenschaft abzuschaffen ist, na klar, wird es eben gemacht, wenigstens muss man da nicht mehr hin. Allerdings: Man legt sich zwar einen Account mit Zugangsdaten dort an und insofern autorisiert man sich auch. Aber „Unterschriften“, wie sie bestimmte Vordrucke eben fordern, sind damit noch nicht erledigt. Es muss also neben dem elektronischen Ummeldevorgang noch zusätzlich doch ein Papierdruck vom Formular per „Schneckenpost“ dorthin gesandt werden. Überflüssige Doppelarbeit. Wozu autorisiert sich denn der Accountinhaber dann?

Selbstmörderisches Massensterben! Herbstlaub

Selbstmörderisches Massensterben! Herbstlaub

Die Vielzahl der erforderlichen Behördengänge kann man auch als Gängelei bezeichnen, die öffentlichen Behörden bieten Gewerbetreibenden nicht „freies Geleit“. Es gilt, Vorschriften zu beachten, die kleinlich sind, ausgefeilt ausgedacht, aber fern von jeder inhaltlichen Wichtigkeit. Der Korpus beamtus verschafft sich seinen Arbeitsplatz und hält ihn fest als „öffentliches Interesse“. Dieses Jahr war das nicht wenigen Blättern genug. Seit kurzem wird landesweit ein mörderisches Massensterben beobachtet. Blätter stürzen sich mit Verve von den Bäumen, in der Absicht, sich zu töten. Eine Expertenkommission hat dem Forschungsprojekt den Namen „Operation Herbstlaub“ gegeben. Abzuwarten bleibt, ob sich die Natur nochmal erholt? #Trends

Die Website-Administratoren vom „Einheitlichen Ansprechpartner“ müssen sich da dringend noch was ausdenken.

– Das Finanzamt für Körperschaften scheint sich nicht für die Teilnahme am Einheitlichen Ansprechpartner auf berlin.de zu interessieren. Deswegen gibt es zwar einen Orga-Bereich möglicher Anfragen auf dem Einheitlichen Ansprechpartner, mit dessen Hilfe man auch „nicht recht zuordenbare“ Aufgaben „mit der Berliner Verwaltung“ (oder „gegen“?) zu bewältigen versuchen kann. Doch ist dieser Versuch im Moment noch zwecklos. Also ein Formular „Ort der Geschäftsleitung“ gibt es dort nicht und wer einen Vorgang anlegt, um das Finanzamt zu bitten, diesen Vorgang mit Hilfe des Einheitlichen Ansprechpartners abzuarbeiten, scheitert mit diesem Wunsch. Und riskiert selbst bei fristgerechter Bearbeitung, dass die Sache versackt.

Übrigens sehr ähnlich ist die rechtliche Unzuverlässigkeit, die der Berichterstatter in  dem Elektronischen Gerichtspostfach entdeckt. Anders als beim Einheitlichen Ansprechpartner besteht hier bundesweit die Absicht, mit europäischer Rückendeckung Kommunikationsstrukturen zu vereinfachen. Das System ist nicht durch die Justiz gedrungen und wird von ihr nur auf freiwilliger Basis angewendet. Ob es überhaupt zulässig ist, muss man erst umständlich auf dem Gerichtszimmer erfragen. Wo bleibt denn da die Vereinfachung? – Gute Erfahrungen allerdings mit dem Support für Anwender: Der Mann, der dort sitzt, macht einen ganz vorzüglichen Job und weiß Bescheid.

Wohl „systemimmanent“ besteht in der öffentlichen Verwaltung immer ein hoher Druck, Aufgaben mit Sonderregelungen und Technologien abzuarbeiten, anstatt flüssige, gängige Standards zu gebrauchen. Warum sich ein Anwender des EGVP (Gericht) einen kompletten Java-Client installieren soll und unabhängig vom eigenen Emailclient Post durch eine Sonderhölle schicken soll, ist und bleibt unverständlich. Zu kompliziert gedacht. Ganz zu schweigen davon, dass alle möglichen Strukturen immer wieder ganz unterschiedliche Passwort-Mindestregeln mit Überraschungen bereithalten. Dies alles lässt die Anwendungen unattraktiv, kompliziert und „irgendwie vergeistigt/verschachtelt“ erscheinen. Der Anwender sagt sich irgendwann: „Normal ist das nicht.“ Genau.

In beiden Fällen ist die öffentliche Verwaltung noch weit davon entfernt, Vorgänge zu vereinfachen und dafür zu sorgen, dass sie gut flutschen. Die Strukturen sind unübersichtlich, voller Lücken und zudem von rechtlicher Unbestimmtheit durchdrungen. Es lohnt sich im Grunde genommen noch nicht, sich mit diesen angedachten „Verwaltungsvereinfachungen“ ernsthaft zu beschäftigen. Und Antwort darüber zu bekommen, ist mehr oder minder noch ein Vabanque-Spiel.

Nur um nicht in dem Ansinnen der öffentlichen Verwaltung insgesamt unterzugehen, sei nochmals auf Hitler hingewiesen. Besonders berühmt geworden ist die Verwendung dieses Begriffs in einem überlieferten Gespräch zwischen Hermann Göring und Adolf Hitler anlässlich der britischen Kriegserklärung 1939. Göring riet Hitler: „Wir wollen doch das Vabanque-Spiel lassen.“, worauf Hitler antwortete: „Ich habe in meinem Leben immer Vabanque gespielt.“ So sagt es die deutsche Wikipedia. Womit sie recht hat.

Allerdings, das soll noch einmal betont werden: Der gute Wille ist zu sehen. Mühe allerdings allein ……, sagt zumindest eine alte Redensart.

Weblotse

(EP)

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