1639/12: Prognosen: Es ist jetzt was los in Verwalterland Deutschland, die Karten werden neu gemischt für 2013

Quelle: Pharus-Plan, Stand Mai 1930, Gebiet Schöneberg

Quelle: Pharus-Plan, Stand Mai 1930, Gebiet Schöneberg

Man merkt diesem Blog an, wenn es hyperaktiv geschrieben wird, wie die Leserzahlen sind. Dann ist hier richtig was los. Das schreibe ich ja ehrenamtlich, so wie „Geschäftsführung ohne Auftrag“, juristendeutschtechnisch ausgedrückt. Momentan habe ich kaum Zeit zu bloggen, viel zu tun. Doch heute Morgen ist das Telefon still und niemand ruft mich an. Ich bin nicht böse. Alles gut. Zeit zu bloggen!

Es ist viel los in Hausverwaltungs-Deutschland dieser Tage und in Berlin. Jetzt werden gerade wieder die Karten gemischt, so wie jedes Jahr um diese Zeit. Wohnungseigentümer aller Stadtteile sind mit ihren Verwaltungen unzufrieden. Aber auch Verwalter sind mit ihren Wohnungseigentümern teils unzufrieden. Man will sich voneinander trennen, aus welchen Gründen auch immer.

Alte Verwalterbestellungen werden nicht verlängert. Neue sind noch auf Orientierungssuchpfad. Wen nehmen? Alle versprechen das Blaue vom Himmel herunter, das ist normal. Wenn es nach dem schriftsätzlichen Angebot geht oder nach dem Reden, sind einige der Verwaltungsbewerber Anwärter auf die goldene Peperoni: Sie sind einfach rattenscharf. Andere wiederum sind gähnend langweilig vor lauter Sachlichkeit und ihre Angebote sind bereits irgendwie einschläfernd.

Quelle: Pharus-Plan von Wilmersdorf, Stand Mai 1930

Quelle: Pharus-Plan von Wilmersdorf, Stand Mai 1930

Was für Typen sind das eigentlich, so Hausverwalter? Sind es „graue Mäuse“, „anthrazitfarbene Stadtratten“ oder gar „Stadtaffen“, so wie Peter Fox sie besang? Sie tragen mausgraue Zweireiher, Schlips und reden sich um Kopf und Kragen? Glaubwürdigkeit ist wohl wichtiger als Kostümchen tragen und Pumps. „Ein Verwalter muss auch ein Typ sein“, irgendwie. Sagte mal jemand zu mir und sagte: „Du bist ein Typ.“ Aber was für einer?

Mit unseren Bewerbungen bin ich im Grunde unglücklich. Sie entstanden als Arbeitsentwürfe vor vielen Jahren und wurden immer wieder angepasst, überarbeitet und inhaltlich neu gefasst. Aber man hat so „sein System“, wie man es macht. Erfolgreich sind die Bewerbungen rückblickend gewesen.

Silly-Erinnert feat. Jan Josef Liefers from sillychannel on Vimeo.

 

Ich danke dir. Du hast mich an mich erinnert
Mich und mich, Porzellan und Elefant
Ich komm zu mir. Du hast mich an mich erinnert
Ohne dich hätte ich mich nicht erkannt

Silly „Erinnert“ – Album „Alles rot“, Text: Werner Karma
 

Alles was andere mit Firmenautos, Anzeigen und „Imagebroschüren“ machen, hielt ich im Grunde immer für Quatsch. Früher war eine rechenbare, jedoch teure Größe die Telefonbuchwerbung in den Gelben Seiten. Mein „Schwiegervater in spe“ suchte sich seinerzeit gleich als erstes die Gelbe Seiten-Werbeanzeige heraus und verglich sie mit der von dem Reisebüro, in dem er arbeitet. Er beschied seine Tochter: „Die ist ja größer als unsere“ und gab ihr den Segen. Urbi et orbi. Jetzt habe ich vier Kinder und würde gern von mir sagen, ich führe seit vielen Jahren eine glückliche Ehe mit einer großartigen Frau.

Paparazzi bei der Arbeit: Architekt fotografiert Giebelwände!

Paparazzi bei der Arbeit: Architekt fotografiert Giebelwände!

Seit den Achtzigern habe ich menschlich viele, viele Veränderungen durchgemacht. Erst war ich ein junger Karrierist, fuhr einen weißen Mercedes Benz (mit stoffbraunen Bezügen) und einem Bosch-Autotelefon, C-Netz, Anschaffungspreis für das Telefon: 6.500,- Deutschbucks. Später fuhr ich einen Mercedes Benz 220 Coupé, Baujahr 1964 in weiß mit schwarzem Dach und Eichenholzinterieur. Drinnen eine großartige Stereoanlage mit CD-Wechsler und hörte vorzugsweise Steve Vai, Toto und Prince. Was für eine Mischung. Dann entdeckte ich das Motorradfahren und war sukzessive „karrieristische Attitüden“ über Bord. Ich entdeckte mich und meine Neigungen Stück für Stück mehr und gewann an innerer Freiheit, schwamm weg vom beruflichen mainstream und zog mein Ding stärker durch. Das hat mir gut getan.

Inzwischen sind mir viele dieser Dinge überhaupt nicht mehr wichtig, ich bin fünfzig Jahre alt und bin weitgehend „nicht einzuordnen“ für andere. Darauf lege ich auch Wert. Beruflich finde ich Authentizität wichtig, Ehrlichkeit und offenes Miteinander. Durch die verschiedenen Erfahrungen meines beruflichen Lebens bin ich viel sicherer geworden und manchmal belächele ich die Unsicherheit viel jüngerer Kollegen mit einem Augenzwinkern. Ja, dann erinnere ich mich an mich selbst „Ich danke Dir, du hast mich an mich erinnert,“ singt die Band SILLY auf einem ihrer großartigen Songs auf dem Album „ALLES ROT“. Genau so ist es. Die Leute von SILLY sind alle ähnlich alt wie ich, aber haben ganz andere Lebensläufe.

Nobody can´t reach us the water! Unvergleichlich!

Nobody can´t reach us the water! Unvergleichlich!

In Berlin-Schöneberg schmeißen sie an der Hauptstr. gerade ihren Verwalter raus. Das Haus kenne ich schon sehr lange, weil berufliche Kollegen von mir es früher verwalteten. Nun werden wir gefragt und geben ein Angebot ab.

In Berlin-Wilmersdorf liegen vor dem Haus fünfzehn Stolpersteine verlegt, denn in diesem Haus haben fünfzehn Juden gelebt, die während des Nationalsozialismus von hier, ihrem letzten Berliner Wohnsitz nach Auschwitz und Treblinka, Sobibor und Maidjanek deportiert wurden. Weil ich das Projekt „Stolpersteine“ stets besonders aufmerksam beobachtet und gefördert habe, spricht mich die Idee an, dieses geschichtsbehaftete Haus zu verwalten. Wir würden das gern tun, denke ich, es passt zu uns. Weil wir uns dessen so bewusst sind.

"Du willst es. Du kriegst es!

„Du willst es. Du kriegst es!

In Berlin-Schöneberg haben wir aufgrund unseres Umzugs kein Angebot abgegeben, in dem Haus, in dem die Familie von Graf zu Stauffenberg einst ihre Stadtwohnung hatte. In Berlin-Nikolassee wohnte die Familie von Graf zu Stauffenberg in der Tristanstr.. Dort im Wohnzimmer stand die Aktentasche mit der Bombe, die Hitler zerreißen sollte, was misslang. Jetzt ist das Haus eine kleine WEG, die wieder einen Verwalter sucht. Schon 2008 suchten sie einen, ach, es wird öfter gesucht, als gut ist.

Denn Verwalterwechsel schleifen ja auch die Unterlagen und Aktenbestände. Bei jedem Verwalterwechsel geht ein Stück Identität des Hauses verloren. Mit Ausnahme derjenigen Wechsel, die um gut durchgeführt zu werden, auch ein Stück Aufarbeitung unzulänglicher Vorverwaltung betreffen. Häufig steht das an.

Anderswo in Berlin-Schöneberg wohnen heute die Menschen um einen Innenhof herum, der schwarz-weiß kariert verlegt ist und an dessen oberem Ende ein gut abdeckendes Glasdach draufgebaut ist. Es ist wetttergeschützt dort und die Kellerabgangstreppe zu den mehr als 2,80 m hohen Kellergängen ist trockenen Fußes auch bei schlechtem Wetter erreichbar. Sehr schön ist der alte Aufzug des Hauses, das 2012 ihr hundertjähriges Jubiläum feierte. Das ist schön, schöner als schön.

All diese Wohnungseigentümer suchen rastlos und ruhig nach neuen Verwaltern. Wir sind im Gespräch, werden um Angebote gebeten und geben dieser Tage unsere ab. Ob sie sich wohl positiv von den anderen Angebotstexten abheben werden?

Aufzugsschild von "anno zwirn", Berlin-Schöneberg

Aufzugsschild von „anno zwirn“, Berlin-Schöneberg

Schreiben kann ich inzwischen besser. Ich habe in den letzten Jahren viel dazu gelernt. Ob ich aber auch die Herzen der Angebotsempfänger erreiche, ist ungewiss. Ich werde es bald wissen. Und wieder etwas aus mir selbst und unseren angedachten Vorhaben lernen, Konsequenzen ziehen. Nur eins werde ich mit Sicherheit nicht tun. Wir werden uns nicht verbiegen. Es gilt das Prinzip des „aufrechten Gangs“. Mit Verve.

(EP)

 

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