1464/12: Positionen: Kratzbürstig intonierte ich innerlich #My funny valentine – Über Wulff, Blulff, Schmidt, Gauck und das Präsidentenamt

Foto.Podcast: E.J. Behrendt - Das Jazzbuch (Erstausgabe 10.1953)
Foto.Podcast: E.J. Behrendt – Das Jazzbuch (Erstausgabe 10.1953)

Die Katerstimmung heute ist „Jazz“, nicht „Pop“.

Innerlich ging in mir ein bisschen der tägliche Tom Waits ab und wenn er „My funny Valentine“ singt, ist das kratzbürstig, wehmütig und dadurch auch bedeutungsschwanger. Ja, ich habe das lange nicht mehr gehört und während ich über den Tag reüssiere, weiß ich noch nicht, ob mir das allgegenwärtige Gewissen namens Youtube diesen Song zu Demonstrationszwecken ausleiht, ohne dafür an die deutsche GEMA ein Salär abzudrücken. Den Streit mit der GEMA habe ich aus den Augen verloren, aber erfahren, dass die betroffenen Künstler den Weltkonzern Google zum Einlenken bewegen möchten. So wie Bundespräsident Wulff sich erklärt. Der große Wulff und gestern Abend der große Blulff? Das Interview.

_seitentrenner Flugzeug

Das Bundespräsidentenamt ist mehr als eine Hausmeisterwohnung des bewohnten Mehrfamilienhauses Bunte Republik Deutschland.  Früher war es mal die Belle Etage. Wulff sagt, es sei schwieriger geworden, das Amt. Das stimmt. Es ist ihm und seiner Amtsführung zu verdanken. Leider.

Zuallererst ist es überfällig gewesen, das Interview. Wie überhaupt vieles, was diesen Bundespräsidenten anficht. Nicht was er getan hat, ist zuallererst eindeutig verwerflich. Sondern was er nicht getan hat. Bzw. nicht rechtzeitig. Schlimm dieses ständige Sektieren, Prokrastrinieren, Abwarten, Hadern, Zaudern, …., aber nur nach außen hin.

Denn innerlich kocht der Bundespräsident, erstens mit Wasser, und zweitens aus Wut mit den Medien, die ihm Unrechtes tun, wie er vermutet. Ein zutiefst emotionaler Mensch hinter einer zu glatten Fassade der scheinbaren Heiligkeit. Tiefe Schichten und darüber weiße, warme Schlagsahne. Wie konnte er soweit kommen, dieses Amt zu bekleiden? – Ganz einfach: auf einer öffentliche Fassade aufbauend! Und auf einem feingesponnenen, verfreundeten, nützlichen Netzwerk basierend. Wulff ist tatsächlich noch viel zu jung und unerfahren, um das Amt unangreifbar und würdevoll zu führen. Leider.

Der hier zum Einsatz gelangende, häufige Seitentrenner (ganz oben) ist ein mittig angeordnetes, verkleinertes Flugzeug. Wie das, indem Bundespräsident Ende letzten Jahres aus den arabischen Staaten nach Berlin-Tegel zurückkehrte. Zuvor hatte er noch Kai Diekmann angerufen, aber nur seinen Anrufbeantworter erreicht. In der Sache erschien mir persönlich das gestrige Interview zur Aufklärung der Nation zu flach. Schon seit vielen, vielen Jahren erwarte ich von Bundespräsidenten, dass sie beeindruckende Persönlichkeiten sind, die über den Dingen stehen. So wie beispielsweise Richard von Weizsäcker. Oder, z.B. Roman Herzog.

♪♫♫♪♫ „Make these nightmares go away….!“ – Tom Waits, Alptraumforscher in „Blue Valentine“

Dem Anspruch an das Amt wird Wulff leider wieder nicht gerecht. Er erweckt nicht, wie bspw. Richard von Weizsäcker einen säkularisierbaren Eindruck von überirdischem, guten deutschen Gewissen, das geeignet ist, Schaden vom deutschen Volke abzuwenden. Eine Zeitung kommentierte dies heute Morgen auch so: in erster Linie ginge es jetzt wohl eher darum, Schaden von ihm selbst abzuwenden. Das beschädigt das Amt.

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Tom Waits – Blue Valentines (via Youtube) 

Im Rahmen meiner Artikelrecherche stellt sich heraus, dass mich meine Erinnerungen betrogen haben: aus „My funny Valentine“ wurde jetzt „Blue Valentine“ von Tom Waits. Selbstverständlich. Selbsterklärend! Ich lasse diesen Irrtum hier absichtlich stehen, denn ich finde ihn gelungen, …und vielsagend! Blau, blau, blau, ist der Dunst der Schmauchspuren in Deutschland.

Wulff ist zu jung, um alt genug zu sein. Ich interessiere mich kaum für seine Hauskäufe, Finanzierungsprobleme und dergleichen. Mich interessiert die Amtsführung selbst. Selbst wenn Wulff ein Opfer der Medien gewesen worden sein sollte, dann ist dieser Schaden jetzt irreparabel und das Bundespräsidentenamt mit lächerlichen Nebensächlichkeiten ideologisch abgelenkt, verfremdet und in eine Sackgasse gefahren worden. Allein daran trifft Wulff persönliche Schuld. Er muss weg.

Dies Leben ist nicht gerecht. Nicht fair ggü. arbeitsvertraglichen Obliegenheiten und auf dem Arbeitsgerichtswege nicht erfolgversprechend einklagbar, wenn es darum geht, einen Arbeitsvertrag auf befristete Zeit geschlossen zu haben: fünf Jahre, sagt Wulff, habe er sich vorgenommen, und fünf Jahre will er dienen, dem deutschen Volke. Man las, es habe keine finanziellen Nachteile für ihn, wenn er jetzt zurücktritt. Das Leben ist nicht gerecht. Gerecht ist das alles nicht.

Ich habe keine bessere Alternative. Mir geht es alleine um die Ehrenrettung für das würdevolle Amt. Es geht nicht darum, Christian Wulff unwürdig mit Schmutz zu bewerfen. Es geht nicht mehr um Christian Wulff. Ein Nachfolger wird sich schon finden. Mir tut es leid, dass es so gelaufen ist, aber die unausweichlichen Folgen dieses Geschehens sind nun einmal so, wie sie sind. Das kann ich doof finden, es ändert aber nichts. Eine besondere Dienstherrenpflicht hat die Bundesrepublik Deutschland ihrem ersten Mann im Staate gegenüber nicht. Die Dienstpflicht allerdings trifft allein den jeweiligen Bundespräsidenten umgekehrt gegenüber dem deutschen Volke.

Wie in jedem vergleichbaren Szenario eines „gestörten Vertrauens“ geht es auch hier darum, Schaden vom Amte abzuwenden, selbst wenn jetzt im Nachhinein gar nicht mal mehr genau rekapitulierbar ist, worauf die Störung des Vertrauens exakt zurückzuführen ist? Entscheidend ist allein, dass das Vertrauen zerstört ist. Danke, das war´s! Auf zu neuen Ufern.

Das Szenario erinnert an „Das ehrenwerte Haus“ von Udo Jürgens. Viele haben schon unterschrieben auf der Liste und die Beräumung des Schloss Bellevue im Tiergarten gefordert, nachdrücklich. Das passt doch altersmäßig, Udo Jürgens als früher Bote eines trotzigen, scheidenden Bundespräsidenten, der nun -nach allem, was ihm angetan wurde- aus dem ehrenwerten Hause auszieht.

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Udo Jürgens – Ein ehrenwertes Haus 1975(via Youtube) 

In diesem Mietshaus wohnen wir seit einem Jahr
und sind hier wohlbekannt.
Doch stell dir vor, was ich soeben
unter uns’rer Haustür fand:
es ist ein Brief von unsern Nachbarn,
darin steht, wir müssen raus!
Sie meinen du und ich wir passen nicht,
in dieses ehrenwerte Haus.

Der Rücktritt des Bundespräsidenten erschiene mir jetzt wie eine Art von gesamtdeutscher Mediation. Wulff nimmt seinen Hut und Deutschland kann sich endlich wieder wichtigeren Dingen zuwenden, mit einem neuen Bundespräsidenten, wem auch immer, solange er/sie nur besser ist und weniger angreifbar. Sollte das tatsächlich eintreten, was ich hier fordere, dann kann ich schon heute sagen: Auch das war dann leider schon „viel zu spät“, ganz so, wie alles, was hier jetzt passiert ist, immer eine zu große Reaktionszeit-Verzögerung des Bundespräsidenten nach sich zog. Für die Gründe kann ich Verständnis haben, am Ergebnis ändert das (leider) nichts.

Wäre er nicht so alt, würde ich mir ohne viel Zweifel Helmut Schmidt gut vorstellen können. Ein rauchender Bundespräsident, das hätte doch mal was.

Schmauchspuren sind uns inzwischen ja geläufig, die rauchenden Colts um den jetzigen Bundespräsidenten herum haben uns die Dunstschwaden ja bereits als Normalität vorgegauckt. Apropos….ich hätte da noch einen Anderen, der das Amt wohl führen könnte. Ich verrat aber nicht, wen ich meine.

Udo Jürgen sagt es ganz zum Schluß wie folgt, so wünsch ich mir jetzt den Wulff, der zu seiner Frau sagt:

Wenn du mich fragst,
diese Heuchelei halt‘ ich nicht länger aus.
Wir packen uns’re sieben Sachen
und zieh’n fort aus diesem ehrenwerten Haus

Das ist gerecht. Und billig.

(EP)

2 Gedanken zu „1464/12: Positionen: Kratzbürstig intonierte ich innerlich #My funny valentine – Über Wulff, Blulff, Schmidt, Gauck und das Präsidentenamt

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