Stolpersteine erinnern uns an schwere, vergangene Zeiten – ein erster Erfahrungsbericht

Verlegebeispiel (Quelle: stolpersteine)

Verlegebeispiel (Quelle: stolpersteine)

Ein erster Erfahrungsbericht

Das Projekt Stolpersteine wird seit geraumer Zeit auf der Homepage des Büro Gotthal aktiv gefördert. Der Grundgedanke dabei ist eine Art „Charity-Überlegung“, wonach eine Hausverwaltung nicht nur Hausverwaltung anzubieten hat, sondern vielmehr auch in geschichtlichen Dimensionen denken dürfe, insbesondere wenn diese etwas mit dem Oberbegriff Wohnen – Menschen – Lebenslinien zu tun haben. Insofern ist der Ansatz, das Projekt Stolpersteine aktiv zu fördern, keineswegs abwegig.

Sophie Scholl - altes Foto

Sophie Scholl - altes Foto

Der Background des Berichterstatters hier und heute ist auf jeden Fall ein „geschichtsversessener“. Wie war es nur möglich, dass ein ganzes deutsches Volk eine so perfide und perfekt inszenierte Tötungsmaschinerie zuließ? Können wir uns damit trösten, dass es einen deutschen Widerstand gab, dem u.a. ein Graf von Stauffenberg angehörte, zu dem aber sicherlich noch viele, viele andere gerecht denkende Menschen, wie beispielsweise die hingerichtete Sophie Scholl gehörten? Wie unterschiedlich mag auch die politische Motivation von von Stauffenberg und Sophie Scholl vor dem individuellen Hintergrund ihrer persönlichen Biografien gewesen sein? Während von Stauffenberg eher einen konservativen Hintergrund (in jener Zeit) hatte, mag Scholl demokratischere Visionen einer lebenswerten Gesellschaft verfochten haben. Beiden gemeinsam ist der gewaltsame Tod durch Hinrichtung. Reicht dieses Erinnern aus, oder gehört dazu auch etwas, was wir noch viel konkreter erledigen können, um nachfolgenden Generationen unsere ganze, deutsche Geschichte vor Augen zu führen? Und insbesondere diejenige, die sich zwischen 1933 und 1945 sogar mit Regierungsverantwortung abgespielt hat? Kürzlich erschien eine umfassende Biografie des SS-Organisators Heinrich Himmler (Heinrich Himmler, Biografie von Peter Longerich, Verlag Siedler, 1040 Seiten), die ein präzises Bild eines Unmenschen und Spießers versucht nachzuzeichnen, der sich als der federführende Architekt des forcierten Ausbaues von  Konzentrationslagern in Deutschland, und später in den so genannten Ostgebieten „profilierte“. Hitler sprach oft davon, wie sehr „mein Heinrich“ ein „ergebener Freund und Kamerad“ seiner widerlichen Pläne war. Bis Himmler sich einbildete, im Nachkriegsdeutschland wieder eine maßgebliche Rolle spielen zu können. Ein Biss auf Giftkapseln beendete diese unwirkliche Einbildung. Realitätsverlust pur.

***

Nachdem aktive Fördergedanken (ganz oben) Eingang in unseren beruflichen Alltag als Haus- und Grundstücksverwalter mit Objekten (Häusern) und Subjekten (Menschen) gefunden hatte, folgten den Ankündigungen inzwischen auch Taten. Und das ist beileibe besser, als nur Ankündigungen zu machen, denen keine Taten folgen.

Auf ersten Wohnungseigentümerversammlungen fand das Thema „Stolpersteine“ aktiv Eingang in die Tagesordnung. Mit unterschiedlichem Ausgang, übrigens. In einer Wohnanlage in Berlin-Wilmersdorf war man zusammenfassend der Auffassung, dass das Projekt „Stolpersteine“ ein gutes Projekt sei. Es stelle sich aber die Frage, ob eine Wohnungseigentümergemeinschaft sich mit solchen Fragen als „Fragen der gemeinschaftlichen Verwaltung“ befassen dürfe? Warum eigentlich nicht? Aber es ist sicherlich auch zulässig, derartige Vorhaben, die Förderung/Subvention eines Steins als „gesellschaftliches Zeichen“ eher als „reine Privatsache“ von Menschen zu sehen, weniger als „verwalterische Aufgabe“. Jedenfalls findet der private Zuordnungsansatz nichtsdestotrotz im Anschluss an diese Versammlung in Berlin-Wilmersdorf drei Förderer, die sich im nachherein bereit erklären, jeweils einen Stolperstein zu sponsoren. Dies teilt die Verwalterin der Wohnanlage in „drei Stolperstein-Briefen“ dem betreffenden Stolperstein-Projektkoordinator schriftlich mit. Die Antwort des Koordinators erfolgt heute Morgen per Email.

In der konkreten Wohnlage der Straße, in den konkreten Hausnummern, wohnten sechs jüdische Menschen, mit Namen, Geburtsdatum, Geburtsort und Deportationshinweis (’nach Theresienstadt‘, ’nach Auschwitz‘). Zwei Steine sind schon verlegt, bleiben vier übrig, drei davon sind gesichert, einer fehlt noch. Wenn alle vier übernommen werden, was wahrscheinlich ist, dann ist auch der vierköpfigen Familie L., deportiert am 26. Februar 1943 nach Auschwitz, Vernichtungslager, viermal persönliche Ehrung durch Verlegung der Steine zuteil geworden. Allein in der betreffenden Straße in Berlin-Wilmersdorf wurden 147 Menschen, die 1939 dort gewohnt haben, Opfer der Shoa. Stolpersteine werden am (vermutlich) letzten freiwillig gewählten Wohnsitz der Opfer verlegt.

Andere Wohnanlage, anderer Stadtteil. In Berlin-Spandau ist das Projekt „Stolpersteine“ nicht einmal auf der Tagesordnung. Allerdings haben die Kunden der Hausverwaltung offenbar aktiv auf der Homepage nachgelesen, eventuell auch auf  gesichtspunkte.de, wo parallel berichtet wurde. Unter Verschiedenes meldet sich eine Wohnungseigentümerin zu Wort und fragt die Gemeinschaft, wollen wir derartiges nicht als WEG machen? Der Versammlungsleiter weist auf das formelle Problem hin, dass der Tagesordnungspunkt nicht geladen sei, derartiges sei daher anfechtbar. Die Wohnungseigentümer verständigen sich „ad hoc“, dass es hier nicht um „Formelkram“ ginge, hier ginge es um ein „gesellschaftlich relevantes“ Zeichen. Findet der Versammlungsleiter sehr gut, nicht immer nur Förmeln, Regeln, sondern auch mal handeln. Es regt sich kein Widerspruch, alle sind von einem guten Geiste besessen. Die Spandauer finden jetzt, dass es aber einen Zusammenhang mit dem konkreten Haus geben muss. Damit es eine WEG-Angelegenheit ist. Das fanden schon die Berlin-Wilmersdorfer eingangs oben. Also, die Kriterien wiederholen sich. Und in Berlin-Wilmersdorf ist es „private sponsoring“ und in Berlin-Spandau ist es „public sponsoring“ (durch die WEG). Verwaltersache bleibt es auf jeden Fall, denn der wird es federführend koordinieren.

Morgen kann es umgekehrt sein. Oder in Rudow, Wedding oder Prenzlauer Berg. gesichtspunkte.de wird bei passender Gelegenheit wieder über Erfahrungen im Umgang der Haus-und Grundstücksverwaltung mit derartigen gesellschaftlichen Anliegen berichten. Wir rufen nochmals dazu auf, dem Projekt Stolpersteine weitere Sponsorenschaften anzubieten, sehr gern auch über uns, soweit aus den Wohnanlagen der Hausverwaltung.

***

Weiterführende Links

Büro Gotthal – Projekt Stolpersteine

passender Bericht auf mugshooting.de über Besuch Max Liebermann Villa

Informationen zur Shoa