Gewusst wie – gewusst warum…Rechtsanwälte tun dürfen, was sie lassen könnten

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gesichtspunkte.de hatte hier schon des Öfteren den Beruf Rechtsanwalt auf der Kimme. U.a. hatte sich die Redaktion einerseits mit dem juristischen Begriff der Rabulistik auseinandergesetzt. Und auch mit der Frage, ob Rechtsanwälte lügen dürfen? Auf dem interessant zu lesenden, kurzweiligen Blog des Berliner Strafverteidigers Carsten R. Hönig fanden wir eine Stellungnahme der Berliner Rechtsanwaltskammer, in der es auszugsweise wie folgt heißt:

Zitat Seit dem Urteil des BVerfG vom 14.07.1987 (BVerfGE 76, 171) beschränken sich berufsrechtlich relevante Verstöße gegen das Sachlichkeitsgebot auf drei Fallgruppen (Eylmann in Henssler/Prütting, BRAO, 2. Aufl., und zwar auf strafbare Beleidigungen, Verstöße gegen das Verbot der Lüge und herabsetzende Äußerungen ohne Anlass. Eine berufsrechtliche Ahndung wegen unsachlichen Verhaltens ist nur insoweit statthaft, als diese Einschränkung der Berufsausübungsfreiheit durch sachgerechte und vernünftige Erwägungen des Gemeinwohls gerechtfertigt ist und dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz genügt, also zur Erreichung des angestrebten Ziels geeignet, erforderlich und für den Anwalt zumutbar ist (BVerfGE 61,291,312). (Stellungnahme der Rechtsanwaltskammer Berlin vom 02.09.09, kompletter Wortlaut hier)

Dies Zitat finden wir interessant. Denn ob ein Rechtsanwalt beispielsweise sogar gezielt lügt, um für einen Mandanten einen Verfahrensvorteil herauszuholen, beispielsweise im Zivilrecht,  gab schon häufig Anlass zur Erwähnung für uns. Interessant in diesem Zusammenhang war der Fall einer Vermietung aus Rache, eine permanente, terrorähnliche Anwesenheit auf dem kleinen, übersichtlichen Wohngrundstück in einem Außenbezirk. Dieses ist Gegenstand schriftsätzlicher Erörterungen beim Berliner Landgericht. Der Antragsgegner hat ausführlich vorgetragen, dass sich der Delinquent im Auftrag und mit ausdrücklicher Billigung des Antragstellers (und weiteren Wohnungseigentümer) -auch nächtelang- in einem Büro aufgehalten habe, das wohnungseigentumsrechtlich als ein Büro ‚für nichtstörendes Gewerbe‚ nach Maßgabe der Teilungserklärung definiert ist. Dass nun aber ‚Mieter aus Rache‘  ein äußerst störendes Gewerbe ist, ist keine Sache hochintelligenter Verfahrensdialektik.  Hieraufhin hatte der Verfahrensbevollmächtigte der Antragsteller dieses Verfahrens für seine Mandantschaft vorgetragen, der Herr Xy (Name unwichtig) wohne dort nicht und habe auch kein Interesse an der Familie Yz (Name unwichtig). Die vorgefundenen Tatsachen ergeben ein anderes Bild von der Realität. Aber lügt nun Herr Rechtsanwalt? Eins ist klar: Wer in einem solch brisanten Fall wie diesem lügt, ist als Verhandlungspartner für mögliche ausgleichende Lösungen, für Vergleiche und echte Konfliktlösungen ‚verbrannt‘. Disqualifiziert. Und dass dieser Aspekt auch zum gern vermittelten Berufsbild professioneller Rechtsanwälte gehört, sollte man hervorheben, weil es -in diesem Zusammenhang- in Vergessenheit gerät. Anwälte, die durch fiese Lügen vor Gericht zusätzlich Öl ins Feuer gießen und dramatische Lebenssituationen anderer ‚vorsorglich bestreiten‘, mit Nichtwissen, gehören aus dem Beruf entfernt. Damit ist nicht die Wahrnehmung berechtigter Interessen gemeint.

***

Der Antragsgegner beschwerte sich beim Rechtsanwalt der Antragsteller dann anschließend  schriftlich und bezichtigte ihn der Lüge. Die Kernfrage, ob das nun eine Lüge ist, oder ob nur eine geschickte Formulierung vorliegt, der Herr Xy wohne dort nicht und habe kein Interesse an der Familie Yz, ist nicht abschließend geklärt. Auch wurde diese Beschwerde nicht beantwortet . Die Aussage wird als ‚glatte Lüge‘ empfunden, könnte aber spitzfindig ausgelegt werden. Herr Rechtsanwalt würde vielleicht so argumentieren: Nein, der Rachemieter wohne dort nicht, und damit ist nicht gesagt, dass er nicht seit mindestens vier Wochen tage- und nächtelang dort aufhältig ist, was im Ergebnis nicht wohnen, sondern Arbeit sei, und zwar die Arbeit, jemanden empfindlich zu belästigen.

Der durch den Vorgang in seiner Lebensqualität in zu weit gehender Weise getroffene Antragsgegner könnte sich wohl doch mit gutem Recht an die Rechtsanwaltskammer wenden. gesichtspunkte.de glaubt nicht daran, es könnte sinnvoll sein, eine derartige Beschwerde abzusenden. Die in schwarz auftretenden Advokaten sind schließlich auch ‚Auftragsarbeiter gegen Entgelt‘, denen für gute Bezahlung derartige Gedanken- und Gewissenlosigkeiten als engagierte Betätigung im Interesse ihrer Mandantschaft ausgelegt werden wird. Ein Nebenkriegsschauplatz und bitte auch keine Verallgemeinerung, bezogen auf die Berufsgruppe der Rechtsanwälte. Es gibt etliche, die mehr Gewissen haben und sogar Distanziertheit zu emotional eingefärbten, aber befremdlichen Motiven (und Taten) ihrer Mandanten. Der hier gemeinte Rechtsanwalt ist frei von solchen ‚Regeln berufsethischen und standesgerechtem Auftreten‘. Er hat befremdliches Tun seines Mandanten, allen eigenen Wissensständen zum Trotz, nicht in zulässigere Schranken verwiesen, hat nicht interveniert, sie in richtige, zulässige Bahnen gelenkt. Oder der Erkenntnis zugeraten, dass nur ein Abbruch törichten Verhaltens Sinn stiftet.  Er verteidigt sein törichtes Verhalten zivilrechtlich ‚mit Verve‘. Darf man das? gesichtspunkte.de sind etliche Rechtsanwälte bekannt, die in einem solchen Fall das Mandat insgesamt sofort niederlegen würden. Weil eine derartige Mandantschaft Beratung dringend braucht, und wenn die Beratung aber fruchtlos ausfällt, dann nennt man es Beratungsresistenz! Ein wohl bemühter, offensichtlich humoristischer Versuch, dieses Wort zu erklären, kann hier nachgelesen werden.

gesichtspunkte.de hat die gewissenlosen Karrieristen unter den Rechtsanwälten daher Rechtsanwalt 2.0 genannt in früheren Berichten. Und die unterscheiden sich sehr wohl von solchen, die einen ehrbaren Beruf mit einer (einwandfreien) Ethik ausüben. Ehrbare Rechtsanwälte sind hier nun wirklich nicht gemeint.

Ein Gedanke zu „Gewusst wie – gewusst warum…Rechtsanwälte tun dürfen, was sie lassen könnten

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