Manna manna – für uns soll´s rote Rosen regnen…

Über das Warmup zu einer Wohnungseigentümerversammlung…

querverweis.auf.gotthal.de

 

Für uns soll´s rote Rosen regnen!

Für uns soll´s rote Rosen regnen!

Wir sind in einem etwas besseren Altersruhesitz in der Nähe vom Fehrbelliner Platz. Die Versammlung soll um 18 Uhr beginnen. Wir sind heute etwas früher los gefahren, auch um noch einmal nach der Wohnanlage zu schauen. Das ist grundsätzlich eine gute Idee, denn man bekommt noch einmal einen ‚aktuellen Spirit‘ vom Geschehen dort. Manchmal fallen einem so buchstäblich im letzten Augenblick vor dem Finale noch Dinge auf, die man tagesaktuell zur Sprache bringen kann. Doch das Vorhaben scheitert auf dem Fußweg dorthin. Der Vorsitzende des Beirats kommt uns bereits entgegen, unter dem Arm trägt er schon die Versammlungsunterlagen. Er ist auf dem Weg zum Tagungsort. Gut, wir verwerfen unsere Idee, und heften uns aneinander, gehen schon mal zur Wirkungsstätte für den heutigen Abend.

***

Im Sitzungssaale ist die Sitzordnung vom Hausmeister der Seniorenresidenz irgendwie unvorteilhaft aufgestellt worden. Während wir die parlamentarische Sitzordnung oder eine im Rechteck mit Anordnung des Vorsitzenden (Versammlungsleiter, Verwalter) ganz vorn bevorzugen, stehen die Tische auf eine Weise zusammen gestellt, in der die letzten dahinten nur noch andeutungsweise verstehen können, was vorne gesagt wird. Der ganze Raum ist durch Raumteiler und Zwischenzuzieh-Falttüren aufgeteilt. Allerdings steht vorne eine kleine Lautsprecheranlage mit Mikrofon, das fällt uns erst später auf. Doch da ist es schon zu spät. Wir haben begonnen, die Tische zu lüpfen, zu verrücken und umzusortieren. Wir haben eine feste Vorstellung von der ultimativen Sitzordnung und beginnen bereits, diese in die Realität umzusetzen. Heute ist es heiß. Und irgendwie ist es auch eine Strafe, zu früh gekommen zu sein. Nun sind wir unmittelbar verpflichtet, die Dinge zu tun, die sonst der gutmeinende Hausmeister erledigt. Nach etwa fünfzehn Minuten stehen die Stühle und Tische für bis zu vierzig Versammlungsteilnehmer in einer richtigen, ergonomisch förderlichen Sitzordnung. Vom Haus gibt es noch Wassergläser, Wasser mit und ohne Gas und Gebäck zum Knabbern. Wer gerade eine Ernährungsumstellung im Schilde führt (neues Wort für Diät), darf hinsichtlich von Kohlenhydraten hier Verzicht üben und lehnt dankend ab. Immerhin sind rund 10 kg schon herunter und die sollen heute Abend nicht flugs wieder drauf geschafft werden. Nun noch ein Soundcheck mit dem Mikrofon: der baldige Versammlungsleiter stimmt ein basstiefes ‚Manna Manna‘ an und es erklingt im Raume; die imaginären Versammlungsteilnehmer werden sicher gleich antworten: ‚Dop di di di‘ (höheres Falsett). Wir schließen einen Moment die Augen und stellen und vor, die Muppet Show wird heute Abend tagen, mit Saxophonspieler und ‚The Animal‘ am Schlagzeug. Noch einmal ‚Manna Manna‘. Hinten kichert der Vorsitzende verschmitzt, hat die Idee offenbar verstanden.

Über jede dämliche Talkshow heutzutage gibt es auch ansatzweise zusätzlich ausgestrahlte Sendungen ‚making of‘ darüber, wie solche Talkshows entstehen. Seit sich die Fernsehschaffenden aus den öffentlich-rechtlichen Strukturen heraus bewegt haben, ist Fernsehen auch Publikumsmagnet geworden. Eine Vielzahl solcher Shows hält regelmäßig Kartenkontingente vor, denn in jeder Sendung muss eine interessierte Öffentlichkeit als Zeuge der Sendung im Studio herhalten. Geklatscht wird auf Anweisung eines Regieassistenten, bestenfalls wenn ein Leuchtschild anspringt, auf dem steht ‚Beifall‘. Und dann skandieren die Publikumsteilnehmer artig, die Sendung kann gelingen. Auf diese oder eine ähnliche Weise wünschen wir uns heute Abend die Wohnungseigentümerversammlung. Es soll heute bitte keine Reizthemen geben oder überquellende Emotionen. Die Versammlung als ein Hort der gehobenen Sachlichkeit, nein, besser noch stillschweigender Zustimmung. Während schon die ersten erscheinen, die vom Verwaltungsbeirat erst einmal zur Unterschrift an das vordere Podest befohlen werden: ‚Los, die Anwesenheitsliste!‘, verharrt der Versammlungsleiter/Verwalter vor seinem Laptop, der neuerer Bauart ist. Er ist auch ein multimediageeignetes Gerät und kann Musikdateien in durchaus passabler Qualität abspielen. Vor Versammlungsbeginn erwächst ihm noch die Idee, die mitgebrachte Hildegard Knef, die Großartige, singen zu lassen: ‚Für mich soll´s rote Rosen regnen‘. Die Verfilmung eines Teils des Lebens von Hildegard Knef mit Heike Makatsch in der Hauptrolle ist dazu ein inspirierender Quell der Freude. Nun gilt Hildegard Knef als generationenübergreifende Ikone, die uns Menschen unterschiedlichen Alters verbindet, anstatt in Grüppchen mit unterschiedlichen Geschmäckern zu spalten. Eventuell auch nicht, aber das ist eine andere Geschichte.

Einige finden die Idee durchaus bestechend und wippen gedankenverloren dem Beginn unseres Sitzungsmarathons entgegen. Andere wiederum haben eventuell eher schlechte Laune, denn das Abspielen von Musikdateien ist immer auch eine Grenzüberschreitung, und wer hat schon einen sitzungskonformen Geschmack? Musikwünsche werden allerdings von niemandem vorgebracht. Noch tragen sich immer und immer wieder neu eintreffende Menschen ein, denn offenbar ist weder das hervorragende Wetter noch der frühe Sitzungsbeginn um 18 statt 19 Uhr Anlass, die Teilnahme an derselben aus wichtigem Grund zu verweigern. Man giert offenbar auf ’news‘ aus der Verwaltungsarbeit. Das ist eine gute Voraussetzung für frohes Gelingen. Noch hat der Versammlungsleiter seinen Spieltrieb nicht gänzlich überwunden, da kommt ihm noch eine weitere Idee für ein gutes Warmup (eine Aufwärmphase) für eine Wohnungseigentümerversammlung. Wir spielen die Sendung ‚Wer wird Millionär‘ von Günter Jauch nach, heute mit dem Themenschwerpunkt ‚Wohnungseigentum – Kennst Du Deine Teilungserklärung? Grundsätzlich erfolgt eine Frage und es sind vier ‚denkbare Antworten‘ vorgegeben. Ein paar Beispiele:

(1) Was steht in § 13, Absatz 5 Deiner Teilungserklärung über Außenfenster?

(a) Sie sind Gemeinschaftseigentum!

(b) Sie sind Sondereigentum!

(c) Sie sind Sondernutzungsrecht!

(d) Sie sind instandsetzungsbedürftig!

Oder (2) die Frage nach § 2, Stellplätze auf dem Hof, in der Teilungserklärung?

(a) Sie gehören Sondereigentümern!

(b) Sie befinden sich im Hof und sind daher Sondernutzungsrechte!

(c) Sie sind gar nicht erwähnt und daher Gemeinschaftseigentum!

(d) Sie gehören einem gewissen Herrn Bertolli, dem Erfinder italienischen Streichmargarine!

Und so weiter, und so fort…ja, wir merken deutlich, dass derartige Warmups zu jeder guten Versammlung als Intro gehören sollten. Nach alle dem  wird es nun ernst: Und die Versammlung beginnt mit einer kurzen Rede des Verwaltungsbeirats-Vorsitzenden und hat einen guten Verlauf. Nach drei konzentriert abgehaltenden Stunden ist die Versammlung überstanden und die Versammlungsteilnehmer zerstoben in alle Himmelsrichtungen.

Weiterführende Links

externer hyperlinkMuppetshow

Verfilmung externer hyperlink‚Hilde‘ – der Film (Prädikat: unbedingt ansehen)

externer hyperlinkWer wird Millionär

externer hyperlinkBertolli Streichmargarine